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Es ist nicht alles Gold, was im Putinreich glänzt

Von Christoph Rella

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Während sich Wladimir Putin bei den Winterspielen frech in Szene setzt, entblödet sich ein IOC-Mitarbeiter nicht, das auch noch gutzuheißen.


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"Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles." Ob Wladimir Putin, der immerhin einige Jahre als Sowjet-Spion in der DDR gewirkt hatte, dieses Goethe-Zitat kennt? Schade, dass ihn Karl Schranz während seines Überraschungsbesuches am Wochenende im Österreich-Haus in Krasnaja Poljana nicht danach gefragt hat. Gepasst hätte es ja irgendwie. Schließlich hatte erst wenige Stunden davor Matthias Mayer Gold in der Abfahrt geholt. Vielleicht hätte Putin - beflügelt durch Schranz’ Schnapsreichung - ja sogar das Zitat aus dem Faust fortzusetzen gewusst ("Ach, wir Armen!") und sich dabei amüsiert?

Denn arm ist er ja tatsächlich, der Herr Präsident. Was hatte er sich nicht in den vergangenen Wochen und Monaten alles an Kritik anhören müssen? Die Klagen reichen von Enteignung und Korruption über Diskriminierung von Minderheiten bis zu Umweltzerstörung und Geldverschwendung. Was sind schon 37 Milliarden Euro, wenn man dafür den halben Kaukasus und sein Ego vergolden kann? Letzteres scheint Putin derzeit umso mehr zu genießen. Kaum ein Rennen, eine Ehrung oder ein Event, das ohne seine Anwesenheit auskommt - vor allem, wenn Gold im Spiel ist. Als etwa der russische Eiskunstläufer Jewgenij Pluschenko am Sonntag die erste Goldmedaille für sein Land gewann, nahm auch Putin auf der Tribüne die Glückwünsche entgegen - als hätte er selbst die Pirouetten gedreht. Das Staatsfernsehen zeigte, wie Fans und Funktionäre ihm die Hand schüttelten, was der 61-Jährige mit einem kurzen Nicken quittierte.

Und das IOC? Das macht nicht nur gute Miene zum bösen Spiel - denn wer das Gold hat, schafft schließlich an -, sondern rückt sogar noch zur Verteidigung des Kreml-Chefs aus. Im Vergleich zu George W. Bush sei Putin noch "eher harmlos", wird ein IOC-Mitarbeiter in der russischen Zeitung "Kommersant" zitiert. Der damalige US-Präsident habe bei den Winterspielen in Salt Lake City 2002 die Eröffnungsworte, erweitert um den Zusatz "Im Namen einer stolzen, entschlossenen und dankbaren Nation", umformuliert und die Olympia-Symbole im Wahlkampf missbraucht. Daran erinnere er sich "mit Grauen", so der IOC-Mann. Bush Junior mag vielleicht kein Engel gewesen sein, aber dieser Vergleich hinkt. Eine eigenwillige Auslegung einer Formel kann nie so grauenvoll sein wie das Leid jener Enteigneten, Ausgebeuteten und Diskriminierten, die an diese Spiele glauben mussten. Es ist nicht alles Gold, was im Putinreich glänzt.