Drei Wiener Schüler und ihr Lehrer haben gemeinsam einen vollautonomen Mars-Rover für die Testmission im Oman gebaut.
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Wien. Während sich Moritz Stephan, Julian Rothenbuchner und Stefan Rietzinger im kalten Wien auf die bevorstehende Matura vorbereiten, entscheidet sich dieser Tage rund 4600 Kilometer weiter südöstlich im heißen Oman, ob ihr gemeinsames Baby den erhofften Erfolg hat: Die drei 17-Jährigen haben gemeinsam mit ihrem Lehrer Josef Pürmayr an der Sir-Karl-Popper-Schule einen Mars-Rover entwickelt, der nun in der Dhofar-Wüste im Rahmen der Mission "Amadee-18" des Österreichischen Weltraumforums getestet wird. Dabei wird eine Expedition auf den Roten Planeten simuliert, bei der einst womöglich auch der Rover der Wiener Schüler eine Rolle spielen könnte.
"Er sollte jetzt gerade zusammengebaut werden und bald einsatzbereit sein", meint Moritz am Mittwochvormittag im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". In den Tagen davor war er in Kontakt mit dem Team im Oman und hat aus der Ferne erklärt, wie der Aufbau funktioniert. "Das ist ein bisschen wie Lego für Große", so der Maturant, der sehr entspannt wirkt angesichts der Tatsache, dass er an einem internationalen Grundlagenprojekt für die Erforschung des Mars mitarbeitet. Und die Fachbegriffe, die er zwischendurch einstreut, zeugen vom Verständnis der jungen Entwickler für die Materie, das auch ihren Lehrer beeindruckt.
"Paradebeispiel für Motivation"
"Das Projekt ist ein Paradebeispiel für Motivation. Die Idee ist von den Schülern selbst gekommen, die sich da voll reingehängt haben", sagt Josef Pürmayr. "Moritz hat von sich aus programmieren gelernt, Julian hat den Modellbau entwickelt, sie haben sich sogar Nasa-Unterlagen besorgt."
Begonnen hat alles mit dem "Odysseus Contest", Europas führendem Wettbewerb zur Weltraumforschung, den die Weltraumagentur ESA gemeinsam mit Partnern wie Airbus ausgeschrieben hat. "Da haben wir einfach mitgemacht und nach Konzepten für einen Rover gesucht." Wobei der Begriff Rover etwas irreführend ist, denn beim Mars-Vehikel namens "TumbleWeed" handelt es sich nicht um ein Fahrzeug mit Rädern, wie man es von früheren Missionen kennt, sondern um eine zwei Meter hohe Kugel mit Außensegeln, die der Fortbewegung dienen – immerhin gibt es auf dem Mars Windspitzen von gut 360 Stundenkilometern, die man sich zunutze machen will.
Windsegel und Sonnenstrom
"Durch die Anordnung der Segel beträgt die Terminalgeschwindigkeit nur etwa 14 km/h", erklärt Moritz. Sein Lehrer ergänzt: "Er ist auch gleichzeitig sein eigener Fallschirm. Man könnte ihn also aus großer Höhe abwerfen und Luftbilder machen lassen." Durch die Kugelform kann ihn der Wind auch nicht umwerfen.
Den Strom für den Betrieb der Elektronik an Bord liefern Solarmodule in den Segeln. "Sechs Computer kommunizieren miteinander. Manche machen Fotos und haben eine Art Künstliche Intelligenz, andere werten die Daten der Sensoren aus, ein Algorithmus klassifiziert, ob die neuen Werte sich stark von den alten abheben, und je nachdem kann man dann noch mehr Messungen durchführen", erläutert Moritz. Die Elektronikteile sind aus dem Fachhandel, andere Bauteile wurden mit 3D-Druckern in der Schule selbst hergestellt. "Der Aufbau ist komplettes Eigendesign", sagt Moritz.
Das Projekt hat dann tatsächlich vorigen Sommer das Finale des "Odysseus Contest" in Toulouse gewonnen. Der Preis umfasste neben Teleskopen auch eine Reise nach Französisch-Guayana, wo die Schüler bei einem Raketenstart dabei waren. "Das war im Dezember, und da ist dort Regenzeit. Das war uns aber nicht bewusst", erzählt Moritz. "Mars-Rover können wir bauen, aber Wetterbericht anschauen nicht – wir hatten keine Regenjacken mit und sind alle krank geworden."
Die Entwicklung des "TumbleWeed" hat insgesamt gut ein Jahr gedauert. "Wir haben sehr, sehr viel Freizeit investiert", erzählt Moritz, der allerdings nebenbei noch ein anderes Projekt am Laufen hat: Gemeinsam mit einem Schulfreund hat er "Lobu.at" entwickelt. Der "Lokale Buchladen" ist als Alternative zu Amazon gedacht: Die User schicken Buchtitel, Autor und Adresse via SMS und werden von der nächstgelegenen Buchhandlung aus binnen fünf Werktagen beliefert. "Wir hatten schon einen Pilotversuch, bei dem wir selbst herumgeradelt sind. Aktuell entwickelt sich da ein neuer Ansatz, für den wir acht Buchhändler schon gewinnen konnten", berichtet Moritz.
20.000 Euro dank Sponsoren
Aber zurück zum "TumbleWeed": "Wir mussten sicher vier, fünf Mal wieder von vorne beginnen, vor allem bei der Hardware." Ihrem Lehrer Josef Pürmayr kam dabei zugute, dass er noch keine volle Lehrverpflichtung hat, "ich konnte damit auch viel Freizeit einbringen – und es hat mir ja auch großen Spaß gemacht, ungeachtet der Rückschläge".
Am Ende sind zwei TumbleWeed-Prototypen entstanden. Kostenpunkt: jeweils 10.000 Euro. Finanziert wurde das Projekt nicht aus dem Schulbudget, sondern durch die Sponsoren Voestalpine High Performance Metals, Voestalpine Böhler Aerospace und IT Beratungs- und Wirtschaftsprüfungs GmbH.
Die Schüler gehen davon aus, dass die Kosten für den "TumbleWeed" für einen echten Mars-Einsatz im einstelligen Millionenbereich lägen. "Natürlich bräuchte man dann andere Materialien als in unserem Prototyp. Und idealerweise würden große Stückzahlen gebaut und zum Mars geschickt, um den Planeten großflächig zu erforschen", meint Moritz.
Das Projekt "Amadee-18"
Einen Monat lang führt derzeit das Österreichische Weltraumforum im Oman eine sogenannte Analog-Mission für eine Mars-Expedition durch. Dabei werden zahlreiche Experimente durchgeführt, in denen die Bedingungen auf dem Roten Planeten simuliert werden.
http://oewf.org/portfolio/amadee-18/
https://www.odysseus-contest.eu/de/