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"Es ist Zeit, dass die Regierung in die Gänge kommt"

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Maßnahmen gegen die Teuerung: Die Arbeitnehmervertreter werden ungeduldig.


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Fast so etwas wie Volksfeststimmung herrschte am Mittwoch zu Mittag bei der Zusammenkunft von 3.200 Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern aus ganz Österreich in der Wiener Marx Halle. Doch zu feiern gab es nichts, denn der Anlass war die sich nach oben schraubende Inflation. "Preise runter!" lautete daher auch das Motto der Veranstaltung.

Die gestiegenen Lebenshaltungskosten würden nicht nur einkommensschwache Haushalte stark belasten. Wegen der Verteuerungen bei Energie, Mieten und Lebensmitteln "wissen mittlerweile auch viele aus dem Mittelstand nicht, wie es weitergeht", betonte AK-Präsidentin Renate Anderl. Maßnahmen seien längst überfällig. Anderl: "Es ist Zeit, dass die Bundesregierung in die Gänge kommt." Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten, so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Im Mai 2022 hat die Inflation mit 8 Prozent ein seit fast 50 Jahren nicht mehr beobachtetes Niveau erreicht.

Weiteres Entlastungspaket kommt nächste Woche

Die Regierung will indes nächste Woche ein weiteres Entlastungspaket beschließen, verschiedene Maßnahmen sind im Gespräch. Fix scheint zu sein, dass die CO2-Bepreisung auf den Herbst verschoben und der Klimabonus von 100 bis 200 Euro je nach Wohnlage auf 250 Euro für alle erhöht wird. Auch das Verbot von Gasheizungen in Neubauten könnte nächste Woche im Nationalrat beschlossen werden könnten. Die Regierung sei bemüht, die Maßnahmen möglichst rasch in Kraft treten zu lassen, sagte Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Verhandelt wird auch über die Abschaffung der Kalten Progression und eine Anhebung von Sozialleistungen wie Sozialhilfe, Familienbeihilfe und Arbeitslosengeld. Die Einführung einer jährlichen Valorisierung jener Sozialleistungen, die nicht jedes Jahr automatisch angehoben werde, werde sich vor dem Sommer nicht mehr ausgehen, hieß es am Rande des Ministerrats.

Der Gewerkschaftbund sieht mehrere Hebel, an denen angesetzt werden kann, um die Haushalte zu entlasten. Im Energiebereich wird unter anderem ein Preisdeckel für Strom aus Gaskraftwerken und die Abkehr von der sogenannten Merit Order gefordert. Denn dabei bestimmt das jeweils letzte - in der Regel teuerste - zugeschaltete (Gas-)Kraftwerk das Preisniveau bei Strom. "Übergewinne" der Energiekonzerne sollten abgeschöpft und an die Konsumenten zurückgegeben werden.

GPA-Vorsitzende Barbara Teiber erneuerte die Forderung nach einer befristeten Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Das würde insbesondere einkommensschwachen Haushalten zugutekommen, die überproportional viel für Lebensmittel ausgeben. Um zu demonstrieren, wie teuer der tägliche Einkauf im Vergleich zum Vorjahr geworden ist, fuhr Willi Mernyi, Leitender Sekretär des ÖGB, mit dem Einkaufswagen auf und rechnete vor: Butter: plus 25,6 Prozent, Salat: plus 26,3 Prozent, Kaffee: plus 15 Prozent, Semmeln plus 10 Prozent.

Nicht neu ist auch die Forderung nach einer gesetzlich verpflichtenden Abgeltung der Kalten Progression. Diese sollte sozial gerecht sein und nicht nur den Gutverdienern zugute kommen, hieß es.

IHS und Wifo empfehlen bei der Auswahl von (weiteren) Unterstützungsmaßnahmen, vor allem auf deren soziale Treffsicherheit Bedacht zu nehmen. Die Institute halten eine Erhöhung der Absetzbeiträge für Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen (Pensionisten-Absetzbetrag, Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag) sowie der Negativsteuer, eine Anhebung existenzsichernder Sozialleistungen (Ausgleichszulage, Mindestsicherung, Sozialhilfe, Leistungen für geflüchtete Menschen) und der Familienleistungen insbesondere für niedrige Einkommen (Mehrkindzuschlag bei der Familienbeihilfe und Kindermehrbetrag beim Familienbonus) für geeignete Instrumente.