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Es ist Zeit für eine neue Familienpolitik

Von Helmuth Schattovits

Gastkommentare

Nicht zufällig war es der Wirtschaftsminister, der in einem Schachzug versuchte, die auf breite Ablehnung in der Bevölkerung gestoßenen Kürzungen der Familiengelder in eine Frage der Kinderbetreuung umzufunktionieren. Diese ist ohne Zweifel ein wichtiges Thema, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kürzungen zu Lasten der Kinder und Eltern an sich ein schwerer gesellschaftspolitischer Fehler sind.


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"Ungeheuerlicher Unsinn", wäre die einhellige Meinung, würde der Sozialminister verlangen, statt einer Pensionserhöhung Seniorenheime, Fahrscheinbegünstigungen für Pensionisten oder Lehrbehelfe in der Altenbetreuung durch die Pensionsversicherungsanstalt oder zu Lasten des Bundesbetreuungsgeldes zu finanzieren.

Mütter und Väter tragen ebenso wie kinderlose Personen zu den erforderlichen Sanierungsmaßnahmen bei. Wenn nun zusätzlich die Transferzahlungen gekürzt werden, entsteht für Eltern eine doppelte Belastung, sie werden gleichsam für ihre Kinder finanziell bestraft. Frauen und Männer im Erwerbsalter, auch wenn sie Eltern sind, zahlen nicht nur 22,8 Prozent vom Bruttogehalt in einem Umlageverfahren für die Pensionen der Seniorengeneration ein, sondern auch noch 4,5 Prozent in den Familienlastenausgleichsfonds - Pensionisten in die Pensionskassen richtigerweise nicht. Das bedeutet: Ab einem Bruttogehalt von etwa 2350 Euro und einem Kind zahlen Eltern mehr in den Ausgleichsfonfs ein, als sie an Familienbeihilfe erhalten.

Ich sehe schwere Versäumnisse der Politik:

* Sie hat es bisher nachhaltig verabsäumt, die Finanzierung der sozialen Systeme transparent zu machen. Die Öffentlichkeit wird in der irrigen Meinung belassen, jeder bezahle seine öffentlich-rechtliche Pension selbst. Tatsächlich ist es eine Umlagefinanzierung. Die Erwerbstätigen bezahlen die Pensionen der Senioren, also der eigenen Eltern und der kinderlosen Senioren.

* Haushalte und Familiennetzwerke werden vorausgesetzt, als hätte es keinen gesellschaftlichen Wandel gegeben.

Lösungsansätze wären:

* Bewusstmachen einer Drei-Generationen-Perspektive: Damit die Kinder von heute als spätere Erwerbstätige lebens- und leistungsfähig sein können, bedarf es nachhaltiger Anstrengungen von Eltern, Gemeinschaften, Gesellschaft und Staat.

* Es gilt, die feingliedrigen Lebensbereiche in der alltäglichen Lebensführung neu zu entdecken und dafür zu ermutigen. Ansätze dazu gibt es etwa im Konzept

der "Gemeinschaft B.R.O.T." (www.brot-verband.at) mit integrativen Netzwerken von Haushalten.

* Es ist höchste Zeit für eine Familienpolitik, die eine Antwort auf die Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels gibt. Dieser brachte beachtliche Entwicklungsimpulse, stößt aber an Grenzen. Auch im Rahmen eines solchen Konzeptes muss ein Leistungsausgleichsfonds die Finanzierung von Maßnahmen sicherstellen. Lösungsversuche durch Bürokratisierung oder weiterer Überforderung der Familien sind ineffektiv und ineffizient.

Professor Helmuth Schattovits ist Gründungsgeschäftsführer des Österreichischen Institutes für Familienforschung (ÖIF).