Die Air Berlin sollte einmal der Lufthansa Paroli bieten. Dass sie nun von ihr geschluckt wird, ist nicht nur das Resultat von Management-Fehlern. Denn Überleben werden in der Luftfahrt langfristig wohl nur die Branchen-Riesen.
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Berlin. Dass es einmal so enden wird, hat sich Joachim Hunold im April 1991 wohl nicht gedacht. Damals steckt der ehemalige LTU-Manager das Geld aus seiner Abfindung in die zu diesem Zeitpunkt noch sehr kleine Air Berlin, um eine neue Art von Fluglinie zu schaffen. Dafür setzt der neue Mehrheitseigentümer den Sparstift an und stellt Mitarbeiter nicht mehr direkt, sondern über externe Dienstleister an. Aus Kostengründen fliegen die Air-Berlin-Maschinen zudem vorwiegend billigere Regionalflughäfen an, später ist die Airline auch eine der Ersten, die auf den Ticketverkauf im Internet setzt. Begleitet wird all das von einer großangelegten Expansionsstrategie: Zunächst wird die Frequenz auf den klassischen Urlaubsrouten massiv erhöht, in den folgenden Jahren kommen auch zahlreiche Langstreckendestinationen dazu. Welches Ziel Hunold damit verfolgt ist so gut wie jedem in der Branche klar: Die Air Berlin soll ein ernstzunehmender und auf Augenhöhe agierender Gegenspieler der Lufthansa werden.
26 Jahre nach Hunolds Einstieg ist dieser Traum nun am Donnerstag mit dem bitterst möglichen Ausgang zu Ende gegangen: Die Lufthansa übernimmt große Teile der seit 2008 immer tiefer in die roten Zahlen gerutschten und mittlerweile insolventen Air Berlin. "Wir werden heute einen echten Meilenstein in der Geschichte der Lufthansa und Berlin sehen", kündigt Lufthansa-Chef Carsten Spohr noch kurz vor der Vertragsunterzeichnung an. Schließlich sei die Lufthansa ja 1926 auch in Berlin gegründet worden.
Die Lufthansa will mit den 81 Maschinen der zuletzt 130 Flugzeuge starken Air-Berlin-Flotte vor allem ihre Billigtochter Eurowings ausbauen, um sie für den Wettbewerb mit der irischen Ryanair und der britischen EasyJet zu stärken. Von Bedeutung sind für die Lufthansa aber auch die sogenannten Slots. Denn die Start- und Landerechte sind an den großen Flughäfen zu einem knappen Gut geworden, für das sich vor allem Airlines mit Expanisongelüsten interessieren. Mit der Übernahme der Air-Berlin-Slots hat die Lufthansa daher auch vorgebaut, dass die Konkurrenz in großem Stil in den innerdeutschen Luftverkehrsmarkt eintreten kann.
Easy Jet zögert
Für die Übernahme der Air Berlin zahlt die Lufthansa rund 210 Millionen Euro. Zusätzlich sollen noch 100 Millionen Euro fließen, um den Flugbetrieb weiter aufrechterhalten zu können. Von den gut 8000 Mitarbeitern hat zudem ein großer Teil der Piloten und Flugbegleiter gute Chancen, bei der Lufthansa unterzukommen. Um ihre Jobs zittern müssen allerdings die Air-Berlin-Mitarbeiter von Verwaltung und Technik.
Enthalten sind im Kaufpreis von 210 Millionen Euro auch der nicht insolvente Ferienflieger "Niki", den der ehemalige Formel-1-Weltmeister Niki Lauda 2003 gegründet hat. 2004 hatte sich Air Berlin an "Niki" beteiligt, 2011 stieg Lauda dann komplett aus.
Noch verhandelt wird dagegen über die nicht von der Lufthansa übernommenen Teile der Air Berlin. Die britische Easyjet, die an rund 30 Jets interessiert war, hat aber zuletzt gezögert. Sollten sich die Briten zurückziehen, könnte die Thomas-Cook-Tochter Condor, die gemeinsam mit Lauda ein Angebot abgegeben hat, wieder ins Spiel kommen. Die Zeit drängt allerdings, weil die Air Berlin zum Schutz der Gläubiger bis zum 28. Oktober den Flugbetrieb mit dem Teil der Flotte einstellen muss, der nicht zur Lufthansa wechselt.
Allerdings müssen auch hier zunächst noch kartellrechtliche Bedenken ausgeräumt werden. "Die Europäische Kommission wird sich das sehr genau ansehen", sagt der deutsche Kartellamtspräsident Andreas Mundt der "Rheinischen Post". "Wir werden das dortige Verfahren begleiten." Ryanair-Chef Michael O’Leary hatte bereits sehr früh im Verkaufsprozess von einem abgekarteten Spiel zwischen Lufthansa und der deutschen Regierung gesprochen. Auch unterlegene Interessenten wie der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl kritisieren, die Lufthansa werde zu einem Monopolisten im Heimatmarkt.
Weitere Übernahmekandidaten
Aus Sicht vieler Luftfahrtexperten führt allerdings kein Weg an einer weiteren Marktbereinigung vorbei. So kommen die fünf größten europäischen Fluglinien, zu denen neben der Lufthansa auch Ryanair, die British-Airways-Mutter IAG, Air-France/KLM und Easy Jet gehören, zusammen nur auf einen Marktanteil von 64 Prozent. Die Top-5 in den USA haben hingegen einen Anteil von 85 Prozent an den Buchungen in, von und nach Nordamerika. Zudem sind die Amerikaner laut den Daten der Ratingagentur Scope mit einer Vorsteuerrendite von rund 20 Prozent auch doppelt so profitabel wie die Europäer.
Wohin die Reise in Europa geht, zeichnet sich dabei schon ab. Sollte es einen Neustart bei der ebenfalls in die Pleite gerutschten Alitalia geben, sei man auch hier an Gesprächen interessiert, sagt Lufthansa-Chef Spohr. Weitere kleine Airlines dürften spätestens beim nächsten Konjunkturabschwung als Übernahmekandidaten ins Visier der großen Fünf kommen. "Gesellschaften aus Skandinavien, Osteuropa, vom Balkan oder der Türkei sind derzeit im Branchendurchschnitt finanziell am schwächsten aufgestellt - und das in einer Marktphase mit starker Nachfrage und moderaten Kosten", sagt Sebastian Zank von Scope. Dass Größe allein auch kein Allheilmittel ist, musste aber auch schon Joachim Hunold schmerzlich erfahren.