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Im Kampf gegen Steuerdumping ändern die jüngsten Urteile der EU-Kommission wenig.
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Am Mittwoch hat die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager das Urteil der EU-Kommission zu den Staatsbeihilfe-Verfahren gegen Starbucks und Fiat Financial Services bekanntgegeben: Durch Abmachungen mit den Steuerbehörden der Niederlande und Luxemburgs seien die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union verletzt worden. Starbucks habe sich seit 2008 in Summe 20 bis 30 Millionen Euro an Steuern erspart, Fiat seit 2012 ebenfalls 20 bis 30 Millionen Euro. Diese Summen sollten Luxemburg und die Niederlande von den Konzernen als Nachzahlung verlangen. Von Strafen war keine Rede. (Zur Angemessenheit: Am selben Tag wurde wegen eines Kartellvergehens eine Strafe von 160 Millionen Euro verhängt.)
Als vor zwei Jahren die EU-Wettbewerbsbehörde die Fälle Starbucks, Fiat und Apple (Irland) aufgriff, war die Freude vieler Beobachter groß: Die Steuerkommission hatte sich nicht an die Steuervermeidungsmodelle herangewagt, denn die Mitgliedstaaten wollen sich von der Kommission nicht in ihre Steuerpolitik dreinreden lassen. Erst die Wettbewerbskommission machte mit den Sorgen der Steuerbürger über ihre Ungleichbehandlung Ernst.
An den Grundübeln von Steuerflucht und Steuervermeidung ändern weder diese Urteile noch das vor kurzem vorgestellte Aktionspaket der OECD zur Vermeidung von steuerschonendem Verschieben von Gewinnen (das sogenannte BEPS-Programm) etwas. Denn das System der sogenannten Verrechnungspreise bleibt unangetastet. Damit wird versucht, konzerninternen Transfers ein "marktübliches" Preisschild zu verpassen, um diese Zahlungsströme steuerlich bewerten zu können. Das Dumme daran: Für sehr viele dieser Transfers gibt es einfach keine Marktpreise. Das gibt Konzernen die Möglichkeit, Gewinne durch das künstliche Aufblähen von Kosten steuerschonend rund um den Erdball zu schicken. Ob die dabei verrechneten Transferpreise manipuliert sind oder nicht, entscheiden in diesem System dann oftmals überforderte Steuerverwaltungen - oder die Gerichte.
Zusammen mit dem internationalen Steuerwettbewerb ergibt das eine Situation, in der international tätige Unternehmen, soweit sie überhaupt Steuern zahlen, immer im Vorteil gegenüber lokalen Firmen oder ArbeitnehmerInnen sein werden. Die jüngste Kommissionsentscheidung zeigt einmal mehr, dass der für alle Staaten letztlich desaströse Wettbewerb sogar innerhalb der EU fröhliche Urständ’ feiert. Das ist in einer Wirtschaftsunion besonders absurd, da man hier einander Unternehmensinvestitionen abjagt. Die seit Jahrzehnten geheim tagende "Code of Conduct"-Gruppe der EU-Finanzminister, die sich unter anderem um die Vermeidung von "schädlichem" Steuerwettbewerb kümmern soll, hat bisher absolut nichts zuwege gebracht.
Alle Bemühungen um Steuergerechtigkeit von OECD, EU und anderen sind als erste Schritte in die richtige Richtung zu sehen. Solange man sich jedoch nicht an die Grundlagen des Übels heranwagt, etwa durch eine einheitliche Besteuerung von Unternehmensgewinnen und deren proportionale Aufteilung je nach Ursprung der wirtschaftlichen Leistung, bleibt dies leider alles nur Auslagenpolitik.