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"Es muss die Freiheit des Eigentums geben"

Von Nina Flori

Politik

Obwohl die Mieten im vergangenen Jahr um fast vier Prozent gestiegen sind, ist die Immobilienwirtschaft unzufrieden.


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Wien. Der Präsident des Österreichischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (ÖVI), Georg Flödl, kritisiert gegenüber der "Wiener Zeitung" Eingriffe in bestehende Verträge. Er fordert Anreize für Eigentümer und Vermieter und betont, dass zu viel Regulierung leistbarem Wohnen schade.

"Wiener Zeitung":Wie viele Mitglieder hat der ÖVI und welche Anliegen haben sie?Georg Flödl: Wir haben etwa 500 Unternehmen als ordentliche Mitglieder. Dazu kommen 130 bis 150 Young Professionals. Das sind junge Angestellte in der Immobilienwirtschaft und in anderen verwandten Berufen. Der ÖVI vertritt die Dienstleister in der Immobilienwirtschaft, also Hausverwalter, Bauträger, Immobilienmakler und Sachverständige, und alle Interessen, die sie in ihrem täglichen Leben haben. Zudem werden wir als Experten auch bei politischen und legistischen Fragen konsultiert.

In der jüngeren Vergangenheit haben einige Hauseigentümer vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Richtwertmietzins beanstandet, vor allem dessen unterschiedliche Höhe in den Bundesländern. Worin sehen Sie da das Problem?

Es galt grundsätzlich die Höhe des Richtwertmietzinses zu klären. Hier stellt sich die Frage: Kann es fachgerecht sein, dass in Wien der zweit niedrigste Richtwert Österreichs gegeben ist? Nur jener im Burgenland ist niedriger. Das passt in Relation nicht und ist überprüfenswert. Das bedeutet aber nicht, dass wir einen österreichweit einheitlichen Richtwert sehen. Aus formalen Gründen ist es in dieser Sache allerdings zu keiner Entscheidung gekommen.

Ein weiterer Punkt, der vor dem VfGH beanstandet wurde, war das Verbot des Lagezuschlags in Gründerzeitvierteln.

Bei der Definition von Gründerzeitvierteln wird auf den Zustand der Gebäude zwischen 1870 und 1917 abgestellt. In dieser Zeit waren diese Häuser in einem unterdurchschnittlichen Zustand. Das bedeutet, dass man auf einen Zustand von vor 100 bis 150 Jahren abgestellt. Das ist in unseren Augen nicht nachvollziehbar. Die Substandardwohnungen von damals sind heute meist saniert. 92 Prozent der Wohnungen in Wien sind in der Kategorie A ausgestaltet. Der VfGH hat sich aus einer Abwägung heraus für das Verbot ausgesprochen, er hat sich aber nicht sachlich damit beschäftigt. Dass der Lagezuschlagsbegriff adaptiert werden muss, ist eine klare Forderung von uns.

Beide Beschwerden haben sich auf den Richtwertmietzins bezogen. Sollte man ihn am besten völlig abschaffen?

Das ist keine Frage, die sich im Moment stellt. Aufgrund der politischen Situation ist zurzeit, keine große Gesamtlösung in Sicht. Deshalb haben wir Sofortmaßnahmen herausgearbeitet, die man auch in das bestehende Mietrecht relativ einfach einarbeiten könnte. Damit wäre sicherlich allen gedient. Wir möchten, dass in umfassenden sanierten Objekten ein angemessener Mietzins verlangt werden darf. Außerdem sollen die Eintrittsrechte bei Mietverträgen neu geregelt werden. Nicht-Privilegierte sollten marktkonform wohnen müssen. Und wie bereits erwähnt: Der Lagebegriff muss adaptiert werden.

Wenn es um das Thema Mietzinsbeschränkung geht, argumentiert der ÖVI immer wieder, dass vor allem die Treffsicherheit im sozialen Wohnbau erhöht werden muss.

Wir sind bei der Wohnkostenbelastung von 18,4 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens unter dem EU-Schnitt und haben Gott sei Dank ein sehr stark ausgeprägtes soziales Wohnsystem in Österreich. Fast 60 Prozent der Wohnungen in Wien sind Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen. Allerdings müssen 46 Prozent der Menschen, die der niedrigsten Einkommensschicht zu zurechnen sind, trotzdem privat mieten. Da muss man sich schon die Frage nach der sozialen Treffsicherheit stellen. 43 Prozent jener, die überdurchschnittlich gut verdienen, wohnen auch in Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen. Das wirft das Thema auf, wer in Österreich gefördert werden sollte.

Das heißt, Sie sprechen sich für regelmäßige Überprüfungen des Einkommens bei der Nutzung von sozialen Wohnungen aus?

Das Einkommen wird nur einmal am Anfang überprüft. In meinen Augen kann man da ruhig eine Bringschuld einführen nach einer gewissen Zeitspanne. Die Menschen sollen auch in der Wohnung bleiben können, aber wenn die Förderungswürdigkeit nicht mehr gegeben ist, soll dieser Mieter auch einen marktkonformen Mietzins zahlen, um Druck aus der Förderung herausnehmen zu können und die Förderung auch wieder Dritten angedeihen zu lassen.

Die Mietervereinigung sagt, dass 90 Prozent der Mietzinse, die sie überprüft, zu hoch angesetzt sind. Was sagen Sie dazu?

Wenn ich davon ausgehe, dass meine Miete zu hoch ist und ich dann zur Mietervereinigung gehe, ist davon auszugehen, dass meine Miete tatsächlich zu hoch ist. Da den Rückschluss zu ziehen, dass 90 Prozent aller Mieten zu hoch sind, ist populistisch verständlich. Dass diese Aussage stimmt, muss ich aber stark in Zweifel ziehen.

Die Mieten sind im Vorjahr um 3,9 Prozent gestiegen und in den Jahren 2008 bis 2014 insgesamt um 24 Prozent. Trotzdem entsteht oft der Eindruck, dass Eigentümer Vermieten als wenig rentabel erachten. Ist das so?Was wir als Immobilienwirtschaft möchten, ist, dass Mieten leistbar bleibt, aber auch Vermieten muss leistbar bleiben. Ich glaube nach wie vor an Angebot und Nachfrage. Wir können den Druck am Mietenmarkt nur dann beherrschbar machen, wenn wir mehr Angebot zur Verfügung stellen. Und das geht nur, wenn man die Rahmenbedingungen attraktiver gestaltet. Im Moment sind wir damit konfrontiert, dass jede Novelle und jede Steuerreform nachträglich in bestehende Verträge und auch in Steuerregime und Abschreibungsmodelle eingreift. Das bedeutet, dass das Vermieten von Wohnraum seitens der Politik immer unattraktiver gestaltet wird. In wirtschaftlichen Zeiten wie diesen bräuchten wir einen Konjunkturanschub. Der war in der letzten Zeit nicht gegeben.



Die Immobilienwirtschaft hat den Vorschlägen von Bundeskanzler Christian Kern, der sich etwa für eine gesetzliche Obergrenze bei den Richtwertzuschlägen oder eine Senkung der Betriebskosten ausspricht, eine klare Absage erteilt. Der ÖVI will keine Restriktionen, sondern Anreize für Neubauten.

Das Regulierungsniveau in Österreich ist bereits sehr hoch. Experten gehen davon aus, dass die Regulierung der Leistbarkeit eher nachträglich ist. Ich darf zudem erinnern, dass die Abschreibungsdauer verlängert wurde und der Bodenanteilwert im Zuge der Steuerreform nachträglich erhöht wurde. Auch die Erhaltungspflichten werden nachträglich für alle Vermieter verschärft. Das sind keine vertrauensbildenden Maßnahmen, die Wohnraumschaffung fördern. Wir haben den Vorschlag, dass im Neubaufall eine Sonder-Abschreibung eingeführt wird, sodass man in den ersten drei Jahren 30 Prozent abschreiben kann. Das würde einen klaren Konjunkturschub geben.

Die Positionen der Mieter und der Eigentümer im Mietrecht liegen sehr weit auseinander. Ein Vorschlag der Mieterseite ist, beim Eintrittsrecht den Mietzins auf den Richtwert anzuheben. Dafür soll man ihnen bei der Befristung entgegenkommen. Ist das vorstellbar?

Die Idee war immer, einen degressiven Befristungsabschlag einzuführen. Das ist sicherlich eine Variante. Der Gegenpart dazu wäre der Eintritt der nicht-privilegierten Berechtigten. Das wäre eine Sofortmaßnahme, die wir auch oft ansprechen.

Die Mieterseite kritisiert die Befristung vor allem deshalb, weil sie ihrer Ansicht nach dazu führt, dass Mieter und Mieterinnen ihre Rechte nicht durchsetzen können. Wie sehen Sie das?

Ich denke, dass es unterschiedliche Situationen eines Vermieters gibt. Es muss die Freiheit des Eigentums geben und ich muss mir schon auch aussuchen können, wem ich eine Wohnung und wie lange ich sie vermiete.

Mit welcher Entwicklung des Mietrechts rechnen Sie in Zukunft?

Wir erhoffen uns ein zukunftsorientiertes, klares Mietrecht, das beide Interessen abbildet. In der derzeitigen politischen Landschaft gibt es aber keine Möglichkeit, große Schritte zu tun. Deshalb hoffen wir auf eine Politik der kleinen Schritte und setzen auf Sofortmaßnahmen.

Zur Person

Georg Flödl

ist geschäftsführender Partner in der Dr. Funk Immobilien GmbH. Seine Haupttätigkeitsfelder erstrecken sich von der Immobilienvermittlung und Immobilienverwaltung bis hin zum Immobiliendevelopment. Seit Mai 2014 ist er Präsident des Österreichischen Verbandes der Immobilienwirtschaft. Zudem ist er Vortragender an der Fachhochschule Wr. Neustadt.

"Wohnen ist ein Grundrecht": Trotz gesetzlicher Mietzinsbeschränkung sind mehr als 90 Prozent aller überprüften Mietzinse in Wien zu hoch.