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Der SPÖ-Justizsprecher will den Konsum von Drogen weitgehend liberalisieren. Ein viel zu seltener Fall von anti-populistischer Politik.
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Das tapfere Vertreten eines als notwendig und sinnvoll erachteten, aber unpopulären Standpunktes ist bei den meisten österreichischen Politikern der Gegenwart ungefähr so häufig zu beobachten wie blauer Himmel in diesem trüben Frühjahr. "Hier zieht mein Volk, ich muss ihm nach, ich bin sein Führer", hatte schon vor 200 Jahren der französische Spötter Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord diese inhaltliche Flexibilität der politischen Eliten verhöhnt.
In ganz besonders hohem Ausmaß gilt dass natürlich in Wahljahren wie 2013. Deshalb ist wirklich beachtlich, dass der sozialdemokratische Justizsprecher Hannes Jarolim diese Woche die weitestgehende Liberalisierung des Konsums und auch des Verkaufs derzeit illegaler Drogen gefordert hat. Das ist nicht nur inhaltlich völlig vernünftig, sondern auch politisch außerordentlich mutig.
Denn in Österreich gilt: Mit einer derartigen Forderung gewinnt man Wahlen nicht, sondern verliert sie. Hätte Jarolim gefordert, alle Pensionen zu halbieren, hätte er sich ungefähr ebenso beliebt gemacht. Deshalb - und nur deshalb - zuckt ja sogar die Grünen-Chefin Eva Glawischnig panisch davor zurück, auch nur die Freigabe des ziemlich harmlosen Joints zu fordern. Mit der Unterstellung, ein Politiker befürworte "Hasch-Trafiken", kann man jemanden politisch noch immer effizienter hinrichten als mit dem Nachweis tatsächlicher gröblicher Verfehlungen. Es ist halt ein in dieser Hinsicht mehr als konservatives Land, und zwar weit in Parteien hinein, die sich selbst nicht eben als konservativ verstehen. Das zeigte ja nicht zuletzt die eher verhaltene Reaktion der Sozialdemokraten auf den Vorstoß ihres Justizsprechers.
Dabei hat der fast alle Argumente auf seiner Seite. Denn eine völlige Freigabe aller Drogen würde, wie das der liberale Ökonom Milton Friedman ("Drogen sind Privatsache") bereits vor 40 Jahren vorrechnete, vor allem die milliardenschwere Drogenmafia zerstören, deren Profite ja hauptsächlich aus der Illegalität von Drogen und der daraus resultierenden Risikoprämie entstehen. Dazu kommt, dass legale Drogen gerade für junge Menschen einen Teil ihres Reizes verlieren würden, der gerade durch das Verbot und den konspirativen Konsum generiert wird. Würden Drogen hingegen etwa in Apotheken legal abgegeben, signalisierte das den Jugendlichen weniger Coolness denn Krankheit - was Sucht ja auch ist.
Schließlich sprechen auch ganz pragmatische Argumente für Herrn Jarolims Vorschlag: Drogenkonsum mit dem Strafrecht zu bekämpfen funktioniert schlicht und einfach nicht, wie die Erfahrungen der vergangenen Jahre eindrucksvoll bewiesen haben. Selbst der "Krieg gegen Drogen", den die USA mit einem Aufwand von hunderten Milliarden Dollar geführt haben, ist vollkommen gescheitert. Und warum es schließlich erlaubt sein soll, sich zwar mittels der hier ortsüblichen bewusstseinsverändernden Substanzen Schnaps oder Wein zu beschädigen, nicht aber mittels Hasch oder Cannabis, ist logisch nicht wirklich erklärbar zu machen.
Groß ist die Chance, dass sich diese Argumente auch durchsetzen werden, freilich trotz Jarolims Vorstoß nicht gerade.
ortner@wienerzeitung.at