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"Es muss zu Einsparungen kommen"

Von Stefan Melichar und Walter Hämmerle

Politik
Markus Beyrer (44): Die Eberau-Debatte schadet dem internationalen Image unseres Landes. Foto: Andy Urban

Beyrer zu Steuererhöhungen: "Österreich ist bereits ein Hochsteuerland." | "Neues Insolvenzrecht notwendig." | "Schnelles Aus für Hacklerpension." | "Wiener Zeitung": Die ganze Republik diskutiert aufgeregt über Sinn und Unsinn eines Erstaufnahmezentrums für Asylwerber in Eberau. | Markus Beyrer: Ich hoffe nicht, dass das gesamte Jahr so ablaufen wird wie die Debatte um Eberau. Das wäre nämlich ein Indiz dafür, dass die Kraft unserer Politik nicht groß genug ist, um die anstehenden wirklich großen Probleme zu lösen.


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Aber ich bin grundsätzlich Optimist und auch der Druck des Faktischen ist sehr groß. Die Regierung hat beim Krisenmanagement im Großen und Ganzen gute Arbeit geleistet. Jetzt aber müssen die Strukturreformen folgen.

Dagegen ist das Krisenmanagement allerdings eine leichte Aufgabe gewesen, schließlich konnte die Politik viel Geld auf Pump ausgeben.

Es kommt schon auch darauf an, wie man das macht. Aus unserer Sicht waren sowohl das Bankenpaket als auch die Konjunkturpakete und die Liquiditätshilfen für Unternehmen gut gemacht. Jetzt allerdings sind wir in der Situation, wo der künftige Handlungsspielraum der Politik auf dem Spiel steht: Wir haben ein strukturelles Budgetdefizit, sinkende Steuereinnahmen wegen der Krise, die noch dazu zu höheren Kosten wegen steigender Arbeitslosigkeit führt. Allein der jährliche Zinsendienst entspricht spätestens 2013 dem gesamten Budget für Bildung, Forschung und Universitäten.

Leider führt die Eberau-Diskussion aber auch dazu, dass wir keine positive Stimmung für das Thema kriteriengeleitete Zuwanderung schaffen. Das tut dem Image Österreichs nicht gut, dabei bräuchten wir in gewissen Bereichen dringend die besten Köpfe. Uns geht es darum, die Tür für Qualifizierte, die wir brauchen, möglichst weit offen zu halten und diesen das Gefühl zu geben, willkommen zu sein.

Was macht Sie in Sachen Reformanstrengungen so optimistisch? Eberau findet vor dem Hintergrund der Burgenland-Wahl Anfang Mai statt, im Herbst folgen aber Wien und die Steiermark.

Wahlen sind immer irgendwo, davon muss man sich aber frei machen, sonst verliert man die Aufgaben aus den Augen. Vielleicht ist es klug, sämtliche Landtagswahlen auf einen Termin zu legen - und eine ähnliche Vereinheitlichung der Wahltermine auch für die nationalen Urnengänge in Europa anzustreben. Die wahlfreie Zeit für Sacharbeit wird durch die ständigen Wahlen einfach zu stark eingeschränkt.

Es gibt die Einschätzung, dass aufgrund des Widerstands von Ländern und/oder Opposition eine Verwaltungsreform scheitern wird. Die Folge sind höhere Steuern zur Budgetsanierung.

Defätismus wird uns nicht weiter bringen. Es muss einfach zu Einsparungen kommen, weil die Erfahrung lehrt, dass einnahmenseitige Budgetsanierungen nie nachhaltig waren. Außerdem ist Österreich bereits ein Hochsteuerland. Beim Anteil der Sozialtransfers am Haushaltseinkommen liegen wir EU-weit an der Spitze. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen und macht deutlich, dass es hier nur einen sehr engen Spielraum gibt. Hinzu kommt, dass Steuererhöhungen das Wachstum dämpfen. Bei den Ausgaben geht es - ohnehin schon seit Jahren - immer um die selben Probleme: Pensionssystem, Gesundheitssystem und die Doppelgleisigkeiten im Föderalismus. Die Hacklerregelung ist ein nicht zu rechtfertigendes Megaschlupfloch, dessen Verlängerung uns zwei Milliarden Euro jährlich kostet. Die muss raschest auslaufen.

Was tun die Unternehmen, damit auch ältere Arbeitnehmer länger beschäftigt werden können?

Hier hat bei vielen Unternehmen bereits ein Umdenken stattgefunden. Dazu braucht es aber auch eine geänderte Anreizstruktur, die den Abgang in die Frühpension unattraktiv werden lässt. Daneben brauchen wir aber auch eine Verflachung der Lebenseinkommenskurve.

Ein anderer Aspekt ist eher gesellschaftspolitischer Natur: Karrieren verlaufen bei uns ausschließlich mit dem Alter ansteigend. Der Zenit der Leistungsfähigkeit bewegt sich dagegen in der Regel irgendwo zwischen 45 und 55 Jahren. In Dänemark ist es gang und gäbe, dass Ältere auch wieder einen Schritt zurück in der Hierarchie gehen, bei uns ist das noch undenkbar.

2009 war die Industrie wirtschaftlich das Sorgenkind, wie wird sich die Konjunktur heuer entwickeln?

Wir gehen davon aus, dass 2010 noch ein sehr schwieriges Jahr sein wird. Insgesamt wird es im Durchschnitt bis 2012 dauern, bis wir wieder das Produktionsniveau von vor der Krise erreicht haben.

Wie viele Jobs gingen dauerhaft verloren?

Das ist schwer zu sagen. 2010 wird es jedenfalls keine Entlastung auf dem Arbeitsmarkt geben, und auch die Insolvenzen werden weiter steigen. Hier könnte allerdings die Politik mit einem neuen Insolvenzrecht unterstützend eingreifen: Wir müssen auch in Österreich endlich einen Rechtsrahmen schaffen, der eine Fortführung von Unternehmen erleichtert, um auch die Jobs zu erhalten. Das wird derzeit leider blockiert, aber spätestens im dritten Quartal, wenn sämtliche Bilanzen gelegt sind, werden wir dieses Instrument dringend benötigen. Das Sozialministerium pocht allerdings darauf, dass auch die Sozialversicherungen wie die Banken als bevorzugte Gläubiger behandelt werden. Dadurch würden aber den Unternehmen liquide Mittel entzogen, wodurch - auch zum Schaden der Sozialversicherungen - Firmen Pleite gehen und Jobs wegfallen.

Welche Branchen stehen in Österreich vor einem Umstrukturierungsprozess etwa aufgrund massiver Überkapazitäten?

Mit jeder Krise geht ein gewisser Strukturwandel einher. Österreichs Unternehmen schlagen sich sogar in jenen Bereichen ganz gut, die besonders hart getroffen wurden.

Es fällt aber auf, dass die Kurzarbeit kaum dazu genutzt wurde, die Mitarbeiter weiterzubilden.

Das ist ein Punkt: Deshalb kommunizieren wir intensiv mit unseren Mitgliedern, dass diese Möglichkeit noch stärker angenommen wird. Das ist eine Chance, gestärkt aus einer Krise hervorzukommen. Im Moment steigt der Anteil von Kurzarbeit, der auch für Ausbildungszwecke verwendet wird, bereits.

Hat sich aufgrund der Krise ihr Verständnis von der Rolle des Staates verändert?

Nicht wirklich, ich war nie jemand, der gesagt hat, der Staat ist schlecht. Wir brauchen zur Stärkung unsrerer Wettbewerbsfähigkeit einen starken, aber schlanken, effizienten Staat, und es gibt einfach Bereiche, in denen er nichts verloren hat - etwa in der Führung von Unternehmen. Und wenn Sie die Verstaatlichung von Banken ansprechen, so glaube ich, dass man in Krisen die Rolle des Staates pragmatisch betrachten muss. Wichtig ist, dass der Staat Schulden, die er in der Krise anhäuft in der Hochkonjunktur wieder abzahlt - oder noch besser: vorsorgt. Wir aber haben sogar in der Hochkonjunktur Defizite geschrieben.

Apropos Banken: Ich rechne nicht damit, dass die Steuerzahler langfristig draufzahlen werden. Zudem war es wichtig, dass sich Österreich als verlässlicher Investor in Mitteleuropa präsentiert hat, davon werden wir nämlich in Zukunft wieder profitieren.

IV-Präsident Veit Sorger steht wegen seines Investments in die Hypo Kärnten in der Kritik. Ist er noch tragbar?

Diese Frage stellt sich überhaupt nicht. Das war damals ein Investment, wie es viele gibt. Österreich würde wesentlich besser dastehen, wenn sich jeder so integer verhalten würde, wie Veit Sorger in dieser Situation.