Zum Hauptinhalt springen

"Es reicht" war einmal - jetzt will es die ÖVP laufen lassen

Von Walter Hämmerle

Kommentare

Vor einem Jahr kündigte Molterer die Koalition. | Heute glaubt die ÖVP, erneut vor Kraft zu strotzen. | "Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es reicht", verkündete Wilhelm Molterer am kommenden Dienstag vor exakt einem Jahr. Der damalige Vizekanzler und ÖVP-Obmann besiegelte damit nach turbulenten Wochen und Monaten das Ende der großen Koalition nach nur etwas mehr als eineinhalb Jahren.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es läuft" - mit diesen Worten trat ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger gemeinsam mit ÖVP-Regierungskoordinatorin Innenministerin Maria Fekter am Freitag vor die Kameras.

Die kleine Inszenierung für die Medienmenschen der Bundeshauptstadt zeigt: Der ÖVP ist wieder zum Lachen zu Mute. Das war bekanntlich seit Molterers berühmter Ankündigung nicht immer so. Dazwischen lag eine vernichtende Wahlniederlage für beide Großparteien am 28. September, bei der die SPÖ jedoch mit Werner Faymann Platz eins erfolgreich verteidigen konnte. Molterer selbst folgte seinem Widersacher aus Koalitionstagen, Alfred Gusenbauer, mit einem halben Jahr Verspätung ins politische Ausgedinge. Die Ära Schüssel war damit endgültig zu Ende - der Bauernbund mit starker Niederösterreich-Connection, personifiziert durch Josef Pröll, übernahm in der Volkspartei das Ruder.

Und mit Pröll fühlt sich die Volkspartei - und er mit ihr - wieder als die Nummer eins im Land. Platz eins bei den EU-Wahlen wirkte in diesem Zusammenhang wie ein Aphrodisiakum, das Lust auf mehr macht.

Umfragen, welche die ÖVP auf Platz eins sehen, tun ein Übriges. In dieses Bild passt auch, dass Fekter und Kaltenegger einmal mehr deutlich machten, wer aus ihrer Sicht in der Regierung sozusagen die Hosen an hat: die Volkspartei.

Tatsächlich hat die Wirtschaftskrise für die ÖVP den angenehmen Nebeneffekt, dass Pröll als Finanzminister gleichsam in Permanenz im Scheinwerferlicht steht. Trotzdem ist das derzeit mit breiter Brust vorgetragene Selbstbewusstsein der Schwarzen trügerisch: Ihre gefühlten Wahlerfolge der letzten Monate bestanden fast allesamt in realen Stimmenverlusten.

Sowohl bei der EU-Wahl als auch in Salzburg stand ein Minus vor dem ÖVP-Ergebnis, nur in Kärnten war das Ausgangsniveau so tief, dass es nur noch aufwärts gehen konnte - 16 Prozent im südlichsten Bundesland bleiben aber für eine Volkspartei ein Armutszeugnis.

Die Stärke der Schwarzen beruht also vor allem auf der aktuellen Schwäche der Roten. Bundeskanzler Werner Faymann hat alle Hände voll zu tun, der aufkeimenden Unzufriedenheit in den SPÖ-Reihen und einem drohenden Gusenbauer-Schicksal zu entgehen.

Bleibt die Frage, wie die zuletzt häufiger werdenden Unstimmigkeiten in der Regierung zu interpretieren sind. Vom Kassenpaket über das Post-Gesetz bis hin zur Kindergeldreform, um nur die prominentesten jüngsten Streitfälle zu nennen, ist die Koalition in lebhafte Diskussionen verstrickt.

Ist das die in manchen Medien bereits verkündete Rückkehr zur Streitkoalition alten Musters? Oder doch nur der normale Regierungsalltag zweier Parteien, die um ihr eigenständiges Profil ringen - noch dazu, wo doch beide schon aus ihrem ureigensten Selbstverständnis heraus den Führungsanspruch stellen müssen?

Der kommende Herbst wird es zeigen - und da vor allem die Verarbeitung des Ergebnisses der oberösterreichischen Landtagswahlen Ende September in den Reihen der beiden Koalitionsparteien.