In Genf finden Atomgespräche mit dem Iran unter neuen Vorzeichen statt.
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Teheran/Genf. "Es herrscht eine wunderbare Atmosphäre. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass alle Teilnehmer wirklich mit dem Ziel hierher gekommen sind, unbedingt lösungsorientiert zu arbeiten und schnell einen Kompromiss zu finden." Mit diesen Worten kommentierte ein westlicher Diplomat am Dienstag den Auftakt der neuen Verhandlungsrunde zwischen dem Iran und der sogenannten 5+1 Gruppe (die fünf UN-Vetomächte Russland, Frankreich, China, Großbritannien und die USA plus Deutschland) in Genf. "Auch die Perser zeigen sich ungewohnt flexibel. Wenn nach all den schönen Worten und den Ankündigungen auch eine ehrliche Bereitschaft der Zusammenarbeit folgt, dann riecht es nach einer Lösung", so der Diplomat.
In diese Kerbe schlug auch der Chef des iranischen Schlichtungsrates, Ayatollah Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani. "Wir sind ernsthaft an einer Lösung im Atomkonflikt interessiert, ohne Wenn und Aber. Wir werden beweisen, dass wir flexibel und transparent agieren", meinte er in Anspielung auf den neuen iranischen Vorschlag, über den Grad der umstrittenen Urananreicherung durchaus verhandeln zu wollen. Mittels einer einstündigen Powerpoint-Präsentation vermittelte Teheran dem Westen einen Fahrplan von drei Schritten zur Lösung des Konflikts. Während über den konkreten Inhalt wenig durchsickerte, war der Titel des Vortrags "Beendigung einer unnötigen Krise und Eröffnung eines neuen Horizonts" sehr vielversprechend.
Die Verhandlungen gelten als Bewährungstest für den Annäherungskurs des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani. Iranische Diplomaten meinten, man strebe eine Einigung innerhalb von einem Jahr im mittlerweile zehn Jahre andauernden Konflikt an, wobei eine erste Etappe bereits in ein bis zwei Monaten erreicht werden solle.
Am Dienstagabend herrschte auf beiden Seiten vorsichtiger Optimismus, dass es bei den zweitägigen Beratungen in der Schweiz zu sichtbaren Fortschritten kommen könnte. Nach Vorstellung des iranischen Außenministers und Delegationsleiters Mohammad Javad Zarif sollen sich die Unterhändler jedoch zuerst auf den weiteren Fahrplan einigen. Der Chefverhandler verwies darauf, dass die Details dann während eines weiteren Treffens auf Außenministerebene ausgearbeitet werden sollten. Für den Iran steht in Genf sehr viel auf dem Spiel. Rohani muss sich innenpolitisch gegenüber den Hardlinern behaupten und beweisen, dass sein Kuschelkurs und die neue versöhnliche Politik Früchte trägt. Auch Washington gab sich ungewohnt offen. US-Außenminister John Kerry erklärte, das Fenster der Diplomatie sei sperrangelweit offen und stellte Teheran eine Lockerung der Sanktionen in Aussicht. Um der ganzen Stimmung in Genf einen weiteren Schub zu geben, wurden die Verhandlungen erstmals in Englisch geführt. Zarif als iranischer Chefunterhändler hat in den USA studiert und spricht perfekt Englisch. Der Westen reichte dem Iran insofern die Hand, als man Sanktionsexperten der USA und der EU zuzog. Letztere wollten bei einer Lösung direkte Hilfe anbieten. Weniger gut gelaunt waren die internationalen Medienvertreter. Sie wurden von den Verhandlungen diesmal vollkommen abgesperrt und abgeschottet.
Skepsis und Warnungen vor zu großen Zugeständnissen kamen indessen aus Israel. Premier Benjamin Netanyahu sagte, der Westen dürfe sich nicht auf ein Teil-Abkommen einlassen, ohne die vollständige Auflösung des militärischen Atomprogramms des Iran zu erzwingen. Die Führung in Tel Aviv fühlt sich durch mögliche iranische Atomwaffen in seiner Existenz bedroht.