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Es scheint uns zu gut zu gehen

Von Judith Belfkih

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Judith Belfkih, stellvertretende Chefredakteurin der "Wiener Zeitung".

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Die ungleiche Verteilung von Gütern gilt als ein Grundübel der Welt. Von Problemen der Ersten Welt wie der Gehaltsschere zwischen den Geschlechtern über Wirtschaftsmigration bis zu Hungersnöten in der Dritten Welt zeigt sich das gleiche Bild: An sich wäre genug für alle da - Wasser, Nahrung, Kleidung, Geld, ja vielleicht sogar Glück. Der Mensch erweist sich nur nicht als besonders geschickt darin, die vorhandenen Güter fair zu verteilen. Entwicklungen wie Digitalisierung, die uns virtuell in Sekunden um die Welt reisen lassen, machen uns diese ungleichen Verteilungsschlüssel täglich bewusster.

Wissenschafter haben nun versucht herauszufinden, nach welchen psychologischen Mechanismen das Teilen funktioniert. In einer Studie fanden sie heraus, dass etwa durstige Probanden eher bereit waren, ihre mittels Radfahren verdiente Ration Wasser fair zu teilen als ihr erradeltes Geld - obwohl sie mit Letzterem ihren Durst nicht stillen konnten. Wenn es ums Überleben geht, ist der Mensch also äußerst fair zu seinen Artgenossen. Kommt Geld ins Spiel, wird er egoistisch.

Es scheint uns zu gut zu gehen, um noch fair zueinander zu sein, lässt sich daraus zugespitzt folgern. Und: Geld verdirbt den Charakter. Wir könnten Erkenntnisse wie diese aber auch dazu nutzen, unseren Fortschrittsbegriff zu hinterfragen. Und uns Gedanken darüber machen, wie wir diese Korrumpiertheit überwinden können, also unsere offenbar angeborene Intelligenz wieder zu beleben, anstatt nach künstlicher zu forschen.