Grüner Antrag als "Lakmustest für Faymann". | Wien. Sie sei hier, weil sie selbst davon betroffen sei, erzählt die junge Frau. Seit drei Jahren ist sie mit einem Gambier verheiratet. Seit der Ablehnung seines Asylantrags lebt ihr Mann nun im Senegal, sagt die 27-jährige angehende Sozialarbeiterin. "Das ist alles sehr unangenehm", darum sei sie hier, um am "Tag des Bleiberechts" ein Zeichen zu setzen.
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In ganz Österreich fanden am Freitag Aktionen für ein Bleiberecht statt. In Wien wurde vor dem Bundeskanzleramt ein "Sesselmeer" aufgebaut. Es ist kurz vor zehn und noch sind die meisten Sessel leer. Warum gerade Sessel? Für Michael Genner, Obmann von Asyl in Not, zeigen die leeren Stühle den vorhandenen Platz in Österreich. "Es gibt viel Platz, viele leere Plätze, doch der Staat macht die Grenzen dicht und schottet sich ab".
Auch andere NGOs haben ihre Informationsstände aufgebaut: Caritas, Diakonie, Volkshilfe, Integrationshaus, SOS Mitmensch. Sie alle fordern einen Kurswechsel im Asylrecht. So soll die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels künftig kein Gnadenakt des Innenministers mehr sein. Auch sollen Asylwerber nach fünf Jahren nicht mehr abgeschoben werden.
Mittlerweile beginnt sich der Ballhausplatz zu füllen: Studenten, Eltern mit Kleinkindern, Pensionisten, eine ganze Alternativschule und Mitglieder der katholischen Frauenbewegung - schließlich sind es ein paar Hundert. Die Globalisierungsgegner von Attac beginnen mit einem Trommelkonzert. Unter den Demonstranten auch der evangelische Bischof Michael Bünker.
Auch die türkischstämmige Abgeordnete Alev Korun ist gekommen. Für die Grün-Politikerin ist es "sehr wichtig, hier zu sein". Dass so viele Menschen hier seien, sei ein Zeichen, dass das Bleiberecht nicht nur den Grünen ein Anliegen ist, sondern auch den Bürgern. Sie hoffe, die kommende Regierung nehme dies ernst. Die Grünen werden ihren Gesetzesantrag für ein Bleiberecht jedenfalls wieder im Parlament einbringen. Dies werde ein Lakmustest für SPÖ-Chef Werner Faymann, sagt Korun. Dieser war vor der Wahl für einen Verbleib von Arigona Zogaj in Österreich.
Am Rande der Demon-stration sitzt eine Kindergartengruppe. Es sei halt wichtig, dass man sich solidarisiert, sagt die Kindergartentante mit rotgefärbten Rastalocken und lässt die Kinder skandieren: "Kindergartenplätze statt Ausländerhetze". Ob die Eltern wissen, dass ihre Kleinen demonstrieren gehen, sagt sie. "Ja, natürlich", sagt die Kindergärtnerin. Und Attac trommelt wieder.
Wissen
(kats) Das Bleiberecht (eigentlich: "Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen") ist im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) 2005 geregelt. Wenn keine Asylgründe vorliegen, dann kann ein solcher Aufenthaltstitel nur "von Amts wegen" vergeben werden - ein Antragsrecht existiert nicht.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat diese Bestimmung im vergangenen Juni als verfassungswidrig aufgehoben, mit der Begründung, dass das fehlende Antragsrecht - ausgedrückt in der Formulierung "von Amts wegen" - dem Rechtsstaatsprinzip zuwiderlaufe. Noch bis 31. März 2009 läuft die Reparaturfrist. Der Gesetzgeber kann ein Antragsrecht beschließen oder das Bleiberecht ersatzlos streichen, wie Innenministerin Maria Fekter der "Wiener Zeitung" sagte.
Im Oktober 2007 hat der VfGH auch Kriterien für die Erteilung eines Bleiberechts festgelegt: Besonders beachtet wird demnach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Privat- und Familienleben) sowie die strafrechtliche Unbescholtenheit des Asylwerbers.