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Der Stabilitäts- und Wachstumspakt soll um eine Liste von Ausgaben ergänzt werden, die ein höheres Defizit entschuldbar machen. Die Neuverschuldungsgrenze von 3 Prozent bleibt zwar unangetastet, doch soll die EU-Kommission künftig bestimmte Kriterien prüfen, bevor sie ein Defizitverfahren einleitet. Darauf einigten sich im Grundsatz gestern die Finanzminister der EU-Staaten in Brüssel.
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Nach der sechsstündigen Nachtsitzung am Montag war Stillschweigen vereinbart. Doch nach einem weiteren Treffen der EU-Finanzminister konnte EU-Ratsvorsitzender Jean-Claude Juncker verkünden: "Wir machen Fortschritte. Die verschiedenen Positionen nähern sich an." Juncker hat sich zum Ziel gesetzt, bis März eine Einigung über die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu erreichen - und daran hält er fest.
Abrücken müssen dafür einige Länder von ihren Positionen. Während nämlich Österreich und die Niederlande zu den größten Verfechtern eines möglichst unveränderten Paktes zählten, wollten Staaten wie Deutschland oder Frankreich eine sehr flexible Auslegung des Regelwerks.
Eine Annäherung zeichnet sich ab. So soll der Pakt im Kern unverändert bleiben. Weiterhin liegt die Grenze für Neuverschuldung bei drei Prozent und für Gesamtverschuldung bei 60 Prozent. Doch künftig wird der Pakt wohl um einen Kriterienkatalog ergänzt: Wenn das Defizit eines Landes drei Prozent übersteigt, soll die EU-Kommission bestimmte Ausgaben analysieren, bevor sie ein Verfahren einleitet. Dies könnten Kosten für die Modernisierung der Wirtschaftsstruktur, für Pensionsreformen oder Nettozahlungen an die EU sein. Auf der anderen Seite müssten die EU-Staaten in wirtschaftlich guten Zeiten den Schulden- und Defizitabbau beschleunigen.
Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser "goutierte" die Schaffung eines Kriterienkatalogs "nicht besonders". Dennoch zeigte er sich mit dem Ausgang der Beratungen zufrieden. Immerhin sollen die bisherigen Verschuldungsgrenzen weiter gelten.
Härte für Griechenland
Auf keine mildernden Umstände kann derzeit Athen hoffen. Während die Finanzminister das Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich weiter ruhen lassen, wird das laufende Verfahren gegen Griechenland verschärft. Damit ist das Land EU-Sanktionen - die bis zu Bußgeld-Zahlungen reichen - so nah gerückt wie noch kein anderes zuvor. Im Dezember hatte Währungskommissar Joaquin Almunia die von Athen angekündigten Schritte zur Reduzierung der Neuverschuldung für unzureichend erklärt. Das Defizit lag im Vorjahr bei 5,5 Prozent.
Straffe Reformagenda
Die Stärkung des Wirtschaftswachstums will die EU-Kommission auch im Rahmen der Lissabon-Agenda betonen. Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen sollen das Ziel der EU näher bringen, zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Laut "Financial Times" sollen die Regierungen dabei mehr Verantwortung übernehmen als bisher. In einem Bericht, erarbeitet von einer Gruppe rund um Industriekommissar Günter Verheugen und mit Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso abgestimmt, wird für eine Abspeckung der Lissabon-Agenda plädiert. Zwar sollten die sozial- und umweltpolitischen Aspekte der Strategie nicht aufgegeben werden. Der Schwerpunkt müsse aber auf der Wirtschaft liegen.