Zum Hauptinhalt springen

Es stinkt - und zwar hier in Österreich

Von Alexander Van der Bellen

Gastkommentare

Korruption in fernen Ländern ist oft Thema in den Medien. Oder auch in nicht so fernen Ländern: Bulgarien, Rumänien oder Italien. Kaum zu glauben, denkt man sich, was die Leute sich dort gefallen lassen müssen. Es ist aber Zeit, vor der eigenen Tür zu kehren. Korruption ist, sagt Transparency International, der Missbrauch von anvertrauter Macht für privaten Vorteilsgewinn. Was fällt einem Österreicher dazu ein?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Es ist nicht lange her, dass ein Finanzminister seine Homepage von einer wirtschaftlichen Interessenvertretung großzügig finanzieren ließ. Folgen? Keine. Wäre der Aufschrei lauter gewesen, hätte der Gesundheitsminister Geld von einer Pharmafirma genommen? Vielleicht. Derselbe Finanzminister hat angeblich Vortragshonorare von Banken erhalten, Banken, die seiner Aufsicht unterstehen. Folgen? Keine.

Ein enger Freund, privat und - später - geschäftlich, des Finanzministers erhält Millionen Euro (nicht Schilling) vom letztlich erfolgreichen Bieter für die Buwog. Nicht, dass diesem Freund die Buwog gehört hätte, weit entfernt davon. Aber dieser Freund hatte eine wesentliche Insiderinformation über den Preis, den ein anderer Bieter zu zahlen bereit wäre. Für alle möglicherweise Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. Das gehört gesagt. In Österreich geht die Unschuldsvermutung so weit, dass sich die Justizministerin im Kaffeehaus vom Anwalt eines möglicherweise Betroffenen - Unschuldsvermutung! - auf den Fall ansprechen lässt. Jedenfalls hat sie nicht behauptet, mit dem Anwalt über die Korruption in Kroatien fachgesimpelt zu haben.

Stichwort Justiz: Im Bericht des Europarats über "Judicial Corruption" vom Jänner 2010 kommt Österreich nicht explizit vor. Noch nicht. Es nervt aber unsereinen, dass ein Staatsanwalt in Wien eine zentimeterdicke Anzeige gegen einen Innenminister solange übersieht, bis die Vorhalte jedenfalls verjährt sind. Es nervt noch mehr, dass ein Staatsanwalt in Klagenfurt über den Landeshauptmann sinngemäß sagt, der sei halt leider nicht fähig, das Unrechte seines Tuns zu erkennen, und daher sei der Fall zu den Akten zu legen. Da ist man doch recht froh, dass die Aufklärung der Skandale rund um die Hypo Alpe Adria wenigstens zum Teil von der bayrischen Staatsanwaltschaft München betrieben wird. Die wird hoffentlich weniger Hinsichtln und Rücksichtln üben.

Last, but not least: Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Investition in Kärnten plus Parteispende? Ja mei, das täten doch alle, wenn sie könnten?! Nur die radikale Offenlegung der Parteienfinanzierung hilft gegen diesen Sumpf. Jeder, der diese Transparenz verhindert, macht sich mitschuldig an der Tolerierung politischer Korruption in Österreich.

Und noch etwas: Das Wort Freunderlwirtschaft gehört aus unserem Sprachschatz gestrichen. Nennen wir das Ding beim Namen: Korruption.

Alexander Van der Bellen ist Nationalratsabgeordneter der Grünen.