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Die Reaktionen der türkischen Elite auf den Kommissionsbericht und die Empfehlung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind durchwegs positiv. Euphorisch wird das Papier von Professor Atila Eralp, Vorstand des Instituts für internationale Beziehungen an der Middle-East University in Ankara, begrüßt. "Es ist ein guter Tag für uns. Die Empfehlungen der Kommission sind eine historische Entscheidung in einer schwierigen Phase in der sich die EU derzeit befindet." Er ist zuversichtlich, "die Entscheidung ist günstig, allerdings mit Einschränkungen".
So bleibt zum Beispiel offen, wann die Türkei der EU tatsächlich beitreten kann. Eralp warnt, dies könnte den Reformprozess in der Türkei negativ beeinflussen und dieser sei wichtiger als der Beitritt. Außerdem sei dies einmalig in der Geschichte der Europäischen Erweiterung. "Das erste Mal wurde festgelegt, dass das Ende offen bleibt." Dies sei eindeutig eine Referenz an die europäischen Staaten. Anders als mit den anderen Kandidaten wird mit der Türkei auch in Bezug auf Monitoring verfahren. "Das ist ein neuer Zugang der Kommission, der aber auch für Kroatien zu gelten scheint," so der Experte.
Eralp geht davon aus, dass der Verhandlungsprozess sowohl für die Türkei als auch für die EU ein schmerzhafter Vorgang sein wird. Aber: "Wir sollten nicht von vorne herein mit negativen Erwartungen herangehen." Er versteht, dass die Türken dem Bericht noch skeptisch gegenüberstehen, weil die türkischen Medien vor allem die negativen Aspekte hervorgehoben haben, wie etwa die Empfehlung, dass der EU-Binnenmarkt den türkischen Arbeitnehmern für immer verschlossen bleibt.
Der Nahost-Experte der Universität gibt zu bedenken, dass die islamischen Länder die Annäherung der Türkei an die EU sehr genau beobachten. Auch der von Ankara initiierte Reformprozess stößt auf großes Interesse. Erfolg und Misserfolg der Verhandlungen werden beide ihre Auswirkungen in der Region haben. Denn das Verhältnis der Europäer zur Türkei gibt den anderen Ländern eine klare Botschaft.