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Donald Trump sagt sich von der Republikanischen Partei los und liegt um 9 Prozentpunkte hinten.
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New York/Washington D.C. Die Auslöser des politischen Erdbebens brauchten, wie in diesen seltsamen Zeiten üblich, nicht mehr als 140 Zeichen (auf Englisch). Der Reihe nach: "Es ist so nett, die Fesseln abgeworfen zu haben. Ab jetzt kann ich so um Amerika kämpfen, wie ich es will." "Obwohl ich die zweite Fernsehdebatte laut jeder Umfrage gewonnen habe, ist es schwer, wenn mich Paul Ryan und andere null unterstützen." "Unser schwacher und ineffektiver Parteiführer Paul Ryan hatte eine schlimme Konferenzschaltung, bei der die Mitglieder wegen seiner Illoyalität wild geworden sind." "Mit Ausnahme von Bernie Sanders, den sie um die Nominierung betrogen haben, haben die Demokraten stets bewiesen, dass sie loyaler sind als die Republikaner!" "Illoyale Republikaner sind viel schwieriger als die korrupte Hillary. Sie attackieren dich von allen Seiten. Sie wissen nicht, wie man gewinnt - Ich werde sie lehren!" "Der vulgäre John McCain hat während seiner Primary um meine Wahlempfehlung gebettelt (Ich habe sie ihm gegeben, er hat gewonnen). Dann hat er seine Wahlempfehlung für mich wegen meines Umkleidekabinen-Gesprächs zurückgezogen!"
Alles Botschaften, die Donald J. Trump, offizieller Kandidat der Republikanischen Partei für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, am Dienstag (Ortszeit) zwischen neun Uhr vormittags und Mittag seinen 12,3 Millionen Twitter-Followern mitteilte. Ungeachtet dessen, was das alles am Ende wirklich bedeutet - mit seinen Ankündigungen hält es der 70-Jährige traditionell wie mit seinen politischen Positionen, Motto: Was interessiert mich, was ich gestern gesagt habe - stellt die Aktion in der US-Politikgeschichte nichtsdestotrotz ein absolutes Novum dar; und stürzt die Konservativen noch tiefer in die Sinnkrise, in der sie stecken, seit ihn nominiert haben. Die ersten im Laufe des Tages von den meisten Medien verbreiteten Interpretationen von Trumps verbalen Ergüssen liefen darauf hinaus, dass er seiner neuen Strategie folgt, die er seit dem Bekanntwerden seiner ultrasexistischen Tirade von 2005 eingeschlagen hat ("Wenn man berühmt ist, kann man sich bei den Frauen alles erlauben. Man kann sie küssen, man kann ihre Pussy begrapschen."). Neuesten Umfragen zufolge liegt Trump nun neun Prozentpunkte hinter seiner Kontrahentin Hillary Clinton.
Spaltung in der Republikanischen Partei
In der zweiten Fernsehdebatte mit Clinton schlug sich diese in so persönlichen wie absurden Beleidigungen nieder, sowie in dem Versprechen, dafür zu sorgen, die Ex-Außenministerin im Fall seines Wahlsiegs ins Gefängnis zu werfen. Aber es gibt da noch die andere, hochgradig wahrscheinlichere Theorie: Trump weiß spätestens seit dem vergangenen Wochenende ganz genau, dass das Rennen verloren ist und macht - wie man es von ihm gewohnt ist - andere für sein Versagen verantwortlich. Als Hauptbeleg für diese These dient unter anderem, dass er im Rahmen seiner in den vergangenen paar Wochen abgehaltenen Wahlkampfveranstaltungen verstärkt eine Verschwörungstheorie unters Volk brachte, deren Sukkus lautet: Wenn ich nicht gewinne, kann es bei der Wahl nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Davon abgesehen, dass Wahlbetrug in den USA ungefähr so oft vorkommt wie ein die Wahrheit sagender Donald Trump, bildete diese Taktik seine erste Rückversicherung, das Image des "Winners" trotz einer Niederlage in sein Post-Kandidaten-Leben hinüber zu retten. Seit seinen Ausbrüchen vom Dienstagmorgen kommt jetzt noch eine weitere dazu: Nicht er, sondern die Parteiführung habe ihn, den "sicheren Sieger", im Regen stehen lassen. Eine Botschaft, die bei der Mehrheit seiner Anhänger, die mit dem sogenannten "Washington Establishment" ohnehin nichts anfangen können, auf mehr als fruchtbaren Boden fällt. Der Preis dafür: die fortschreitende Spaltung der Republikanischen Partei in ein Pro- und ein Contra-Trump-Lager. Dieser Logik folgend hatte ihm deren Führung am Tag zuvor einen perfekten Anlass geboten, sich quasi von ihr zu verabschieden. Sofort nachdem das Band mit Trumps frauenfeindlichen Ausfällen bekannt geworden war, berief Reince Priebus, der Vorsitzende des Republican National Council (RNC), in Absprache mit Paul Ryan für Montag eine Konferenzschaltung der Mitglieder des höchsten Parteigremiums ein.
Noch bevor diese begonnen hatte, stand der Beschluss einer Mehrheit der Parteiführung fest. Jenes Geld, das eigentlich für das Finish des Präsidentschaftswahlkampf eingeplant war, soll nunmehr - nachdem dieser praktisch verloren ist - den sogenannten "Down-Ballot Tickets" zugute kommen: Kandidatinnen und Kandidaten der Republikaner, die am 4. November um den (Wieder-) Einzug ins Abgeordnetenhaus und in den Senat kämpfen, wo die Konservativen die Mehrheit haben. Ein willkommener Affront für Trump, der beim Eintreiben der Spenden widerwillig aber doch lange mitgemacht hatte, mit diesen angeblich "illoyalen Leuten" öffentlich zu brechen.
Trump schmiedet Pläne für nach der Wahl
So seltsam es klingt: Auch wenn er die Wahl verliert, könnte er so am Ende trotz allem tatsächlich als Gewinner dastehen. Zum Beispiel dann, wenn sich die Gerüchte, die bereits seit Monaten in den politischen und medialen Zirkeln Washingtons herumgeistern, bestätigen - konkret die Annahme, dass Trump nach dem Ende des Wahlkampfs aus seinen Millionen Anhängern mit der Gründung eines eigenen Mediums ("Trump TV") Kapital schlagen wird. Dafür spricht, dass der jetzige Schwenk ganz nach dem Geschmack seines Wahlkampfmanagers Steve Bannon ist; ein Herr, der, ganz nebenbei, in der Branche für seinen kaum verhüllten Antisemitismus bekannt ist.
Der 62-jährige Geschäftsführer der Mediengruppe Breitbart, dem Sprachrohr der sogenannten "Alternativen Rechten" (eine heterogene Ansammlung von weißen Amerikanern, denen lediglich ihr rassistisches Weltbild gemein ist), verfolgt seit jeher nur ein Ziel: Aus der Begeisterung der Trump-Fans Geld zu machen. Nachdem das auch die Hauptmotivation seines Chefs ist und sich beide insgeheim längst damit abgefunden haben, gegen Clinton zu verlieren - auch wenn sie das naturgemäß nicht öffentlich sagen -, lässt sich unschwer ausmalen, wohin ihre gemeinsame Reise geht, sobald das Spektakel vorbei ist.
Das Schicksal der Republikanischen Partei als Institution ist ihnen dabei freilich so egal wie Donald Trump das seiner Wähler. Was man ihm indes zugutehalten muss: Er hat die Amerikaner tatsächlich insofern nie belogen, als er sich stets treu geblieben ist: Wie in seinem gesamten bisherigen Leben müssen am Ende auch diesmal wieder nicht er und seine Familie, sondern andere die Scherben wegräumen, die er hinterlassen hat.
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