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"Es war mir eine Ehre"

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik
"Yes, we can. And yes, we did": Obama verabschiedete sich in seiner Rede von den Amerikanern.
© reu/Ernst

Sweet Home Chicago: In jener Stadt, in der sich Barack Obama einst politisch erfand, gab er seine offizielle Abschiedsrede als Präsident der USA - die zugleich nostalgisch und vorsichtig und ein Plädoyer für die Demokratie war.


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Chicago/WashingtonD.C. Der Countdown läuft, aber noch ist es nicht ganz vorbei. Zehn Tage, bevor er und seine Familie das Weiße Haus für immer verlassen, gab US-Präsident Barack Obama am Dienstagabend in Chicago seine offizielle Abschiedsrede. Eine von langer Hand vorbereitete Angelegenheit der es, wie sich schnell wies, trotzdem nicht an Spontanität mangelte. Laut seinem Sprecher Josh Earnest hatte der Chef bis kurz vor dem Start der Veranstaltung um acht Uhr abends Ortszeit persönlich an seinem Skript gefeilt.

Diejenigen, die sich eine Brandrede gegen seinen Nachfolger Donald Trump und alles, wofür der Republikaner und seine Partei im Jahr 2017 stehen, erwartet hatten, wurden enttäuscht. Unter den Anfeuerungsrufen aus dem ganzen Land angereister Fans nach einer (verfassungstechnisch nicht möglichen) nochmaligen Verlängerung seiner Amtszeit ("Four more years!") betonte Obama, dass eine der großen Errungenschaften des amerikanischen Demokratiemodells in der "friedlichen Übergabe der Amtsgeschäfte von einem Präsidenten zum nächsten" bestehe und er seinem Nachfolger im Übrigen alles Gute bei der Lösung jener Probleme wünsche, unter denen die USA heute leiden. Was freilich nicht heiße, dass der Präsident, der noch bis zur am 20. Jänner angesetzten Angelobung von Trump amtiert, seine Vorbehalte gegenüber dem New Yorker Ex-Reality-TV-Star vom einen Tag auf den anderen aufgegeben hätte.

Ohne seinen Nachfolger explizit beim Namen zu nennen, warnte Obama wörtlich davor, "jedes komplexe ökonomische Problem auf einen Konflikt zwischen hart arbeitenden Weißen und dem Rest der Bevölkerung zuzuspitzen. Nur wenn alle zusammenhelfen und die gleichen Chancen bekommen, ist Fortschritt möglich." Ein eigentlich selbstverständliches Statement, das freilich im Kontext des im vergangenen November zu Ende gegangenen Wahlkampfs zwischen Trump und Hillary Clinton, in dem der Kandidat der Republikanischen Partei so unverhohlen wie erfolgreich die rassistische Karte zog, von beängstigender Aktualität scheint.

Eine Bilanz

Wiewohl Obama bei seiner Abschiedsrede - in gemäßigtem Ton, aber mit klaren Worten - nicht davor zurückscheute, seinen Hoffnungen und Befürchtungen Ausdruck zu geben, was (mindestens) die kommenden vier Jahre angeht, widmete sich ihr Gutteil der Bilanz seines Wirkens im Oval Office.

So gemischt die ausfallen mag, nachdem der Demokrat es bereits nach den ersten Midterms seiner ersten Amtszeit 2010 mit einer seine Agenda kompromisslos bekämpfenden Republikanern im Kongress zu tun hatte. In der Stadt, in der seine politische Karriere einst ihren Ausgang nahm, gab sich Obama noch einmal alle Mühe, jene Errungenschaften zu betonen, die er sich, großteils zu Recht, selber und seiner Administration zuguteschreibt: Allen voran das Ende der großen Rezession, die die USA im Jahr 2008 an den Rande des Finanzkollapses gebracht hatten, die von ihm in Auftrag gegebene Ermordung von 9/11-Mastermind Osama bin Laden, die Rettung der amerikanischen Autoindustrie, die Durchsetzung des vom Obersten Gerichtshof beglaubigten Rechtes homosexueller Bürgerinnen und Bürger, dass ihre Ehen staatlich anerkannt werden; und, last but not least, die Erfindung des unter dem Namen "Obamacare" in die Geschichte eingegangenen Versuchs, in den Vereinigten Staaten etwas zu implementieren, dass einem Gesetz über eine allgemeine und vergemeinschaftliche Krankenversicherung nahekommt, wie es in jedem anderen zivilisierten Land seit Jahrzehnten so selbstverständlich wie sinnvoll ist.

Berufliche Zukunft offen

Dem feierlichen Anlass entsprechend blieb für Selbstkritik des Mannes, den seine engsten Mitarbeiter im Weißen Haus wegen seiner Gewohnheit, endlos Fragen zu stellen, den Spitznamen "Columbo" gaben, naturgemäß wenig Zeit. Ebenso offen blieben Fragen nach der beruflichen Zukunft Obamas, auf die seine Rede keinerlei Aufschluss gab. Innerhalb der Demokratischen erhoffen sich indes nicht wenige, dass er, wiewohl er gelobt hat, sich nur im Extremfall in die Politik seines Nachfolgers einzumischen - sprich dann, wenn, wie in Trumps Wahlkampf angekündigt, fundamentale Rechte eingeschränkt werden -, der Öffentlichkeit auf irgendeine Art und Weise erhalten bleibt.

Am Ende traten dem scheidenden Oberkommandierenden der amerikanischen Streitkräfte die Tränen in die Augen, nachdem er sich bei seinem Vizepräsidenten Joe Biden, aber vor allem bei seiner Frau und bei seinen zwei jungen Töchtern für die Unterstützung und die Entbehrungen bedankte, die diese in den vergangenen acht Jahren auf sich nehmen mussten. Den kurz darauf folgenden emotionalen Schlusspunkt der letzten offiziellen Rede des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten, dem ersten afroamerikanischen der Geschichte, bildete die Rezitation seines legendären Wahlkampfslogans von 2008: "Yes, we can", dem er ein selbstbewusstes "And yes, wed did" nachschob. Am Ende flossen im Saal wie an zahlreichen Fernsehgeräten die Tränen. Obamas Anhängern fällt der Abschied sichtlich schwer.