Martina Schröck ist schon die sechste Parteichefin binnen eines Jahres. | "Bürgermeisterin? Völlig unrealistisch."
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Wien/Graz. Auch sein letzter Versuch, das Steuer herumzureißen, scheiterte. Mit einem neuen Strategiepapier ging der Grazer SPÖ-Chef Edmund Müller am Montag in die Präsidiumssitzung, um noch am selben Abend seinen Rücktritt zu erklären. Nach nur acht Monaten war das Experiment mit dem Quereinsteiger gescheitert. Doch Müllers Ende war absehbar. Zu laut war die Kritik an seiner Person geworden. Selbst Landeshauptmann Franz Voves, der den früheren Chef von Johanneum Research in die Politik geholt hatte, ließ ihn zuletzt fallen.
Ersatz war schnell gefunden: Nur zwei Stunden nach Müllers Rücktritt wurde die Sozialstadträtin Martina Schröck vom Vorstand zur (vorerst noch geschäftsführenden) Parteiobfrau gewählt. Ein Himmelfahrtskommando, ist Schröck nach Wolfgang Riedler, Elke Edlinger, Bettina Vollath, Karl-Heinz Herper und Edmund Müller doch schon die sechste Person, die binnen eines Jahres an der Spitze der Stadtroten steht.
Für die promovierte Soziologin Schröck, die seit 2005 im steirischen Landtag saß, ehe sie 2010 in die Grazer Stadtregierung wechselte, kam der plötzliche Aufstieg "sehr überraschend", wie sie zur "Wiener Zeitung" sagt, auch wenn schon seit einiger Zeit "ein Brodeln in der Partei" spürbar gewesen sei. Dass nun ausgerechnet sie, eine 34-jährige Frau, zur Parteichefin gemacht werde, sei "untypisch und mutig" gewesen - auch wenn sie als zweite SPÖ-Stadträtin neben Müller die logische Nachfolgerin war. Dennoch zeigt sie sich überzeugt, die Richtige zu sein, denn im Gegensatz zu Müller kenne sie "das System der Grazer SPÖ", schließlich sei sie in der Partei sozialisiert.
Schwarz-grünes Drüberfahren
Mit dieser Partei will sie nun "klare Zeichen nach außen setzen" und einen "Gegenentwurf zu Schwarz-Grün" präsentieren. Der Grazer Koalition von ÖVP und Grünen bescheinigt Müller "eine gewisse Drüberfahr-Taktik", die ein "ungutes Klima" in der Stadt erzeuge. "Da gibt es die Meinung, dass Graz ihnen gehört."
Inhaltlich will Schröck "mit klassischer Sozialpolitik" die Themenführerschaft erobern. Sie will "das Zusammenleben und Wohlfühlen in dieser Stadt" ins Zentrum stellen.
Dass sie damit für die Roten den Bürgermeistersessel, den die SPÖ 2003 nach 18 Jahren an Siegfried Nagl (ÖVP) verloren hatte, zurückerobern kann, hält Schröck allerdings für "völlig unrealistisch". Vorrangiges Ziel müsse sein, die Partei zu stabilisieren. "Die Grazer SPÖ erlebt zurzeit die größte Krise der Geschichte. In Umfragen stehen wir bei 9 bis 16 Prozent", sagt Schröck - bei der Gemeinderatswahl 2008 waren es noch 19,7Prozent. Allerdings will sie die SPÖ so stark machen, "dass keine Koalitionsverhandlung ohne uns stattfinden kann".
Rückenwind verspürt sie dabei auch durch die "Politik der sozialen Gerechtigkeit" der Bundes-SPÖ. Auch die Landespartei sei sehr gut angesehen. Allerdings, räumt Schröck ein, komme es auf lokaler Ebene sehr stark auf Persönlichkeit an "und Bürgermeister Nagl kommt - bei allen Fehlern - sympathisch rüber".