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"Es wird ein mühsamer Prozess"

Von Katharina Schmidt

Politik
"Ich will nicht mein Leben lang Politiker sein", sagt Sebastian Kurz, der erst 25-jährige Staatssekretär, der schon bald sein halbes Leben Politiker ist.

Anerkennung ausländischer Diplome und Imamausbildung geplant.


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"Wiener Zeitung": Sie sind jung und betreuen ein Thema, das der ÖVP bis vor kurzem nicht wichtig war. Wie gelingt es Ihnen, sich in der Volkspartei durchzusetzen?Sebastian Kurz: Ich hatte noch nie mit Widerstand aus der ÖVP zu kämpfen, kann mich aber auch nicht über allzu viel Widerstand aus der SPÖ beklagen. Die Koalition hat wirklich ein Interesse daran, bei diesem entscheidenden Thema an einem Strang zu ziehen, und das ist gut.

Sie legen in Ihrer Arbeit den Fokus auf die deutsche Sprache.

Das Dach für unsere Arbeit ist Integration durch Leistung, und das ist sowohl fordernd als auch anerkennend gemeint. Fordernd, weil wir wollen, dass Migranten in Österreich einen Beitrag leisten. Anerkennend, weil sehr viele schon Großes leisten, ohne dass das so wertgeschätzt wird, wie es sollte. Aber ja, die Sprache ist natürlich der Grundstein für alle anderen Handlungsfelder, weil ohne Sprache auch der interkulturelle Dialog keinen Sinn macht.

Ohne Basis in der Muttersprache hat man es schwerer, eine neue Sprache zu erlernen. Fördern Sie auch die Herkunftssprachen der Migranten stärker?

Mehrsprachigkeit ist ein Wettbewerbsvorteil. Die Bedeutung der Erstsprache für den Spracherwerb wird aber unterschiedlich groß eingeschätzt. Es gibt aber zum Beispiel schon interkulturelle Mitarbeiter in Kindergärten. Es müsste mehr Migranten im Öffentlichen Dienst - also auch in den pädagogischen Berufen - geben. Ich wehre mich nicht dagegen, ich halte es nur nicht für richtig, die Muttersprache als des Rätsels Lösung zu präsentieren.

Trotzdem: Es gibt zwei große Sprachgruppen (Türkisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch), die im Schulsystem nicht ausreichend abgebildet werden.

Gerade in diesen Sprachen gibt es am meisten muttersprachlichen Unterricht. Was die Matura betrifft, so hat das keine Priorität für die Bildungsministerin, und ich unterstütze sie da auch. Wir können gerne über das Thema Türkisch als Maturafach philosophieren, aber mit Sprachproblemen hat das nichts zu tun. Die Kinder, die sich in einer AHS-Oberstufe für eine zweite lebende Fremdsprache entscheiden, haben keine Sprachprobleme mehr.

Sie arbeiten derzeit an einer Vereinfachung der Nostrifizierung. Geht da etwas weiter?

Noch heuer soll gemeinsam mit dem AMS das Beratungsangebot ausgebaut werden. Außerdem wollen wir die gesetzlichen Bestimmungen erleichtern und die Anerkennungsverfahren beschleunigen, dazu gibt es Arbeitsgruppen im Finanz- und im Wissenschaftsministerium. In Deutschland hat das drei Jahre gedauert. Ich hoffe, dass es bei uns schneller geht, aber es wird ein mühsamer Prozess.

Was steht am Ende des Prozesses?

Wenn jemand eine Qualifikation hat, die nicht der österreichischen entspricht, dann soll das nicht einfach anerkannt werden. Da soll es schon eine Zusatzausbildung geben, denn die Qualitätsstandards sollen ja nicht sinken. Wenn aber jemand eine gleichwertige Ausbildung hat, dann soll es für ihn leichter und schneller gehen, diese anerkennen zu lassen. Denn derzeit gibt es für ein und dieselbe Sache oft sieben Zuständigkeiten.

Sie planen auch eine Rot-Weiß-Rot-Fibel. Wie soll die aussehen?

Derzeit ist es purer Zufall, welche Startangebote jemand, der nach Österreich kommt, bekommt. Es soll einen Erstkontakt durch die Republik geben, bei dem den Zuwanderern von Anfang an österreichische Wertvorstellungen wie Rechtsstaat und Demokratie vermittelt werden. Die Fibel ist die Krönung dieses Prozesses.

Welche weiteren Projekte haben Sie für 2012 geplant?

Nächste Woche starten wir ein Dialogforum Islam mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Dabei wird es um die wesentlichen Fragen des Zusammenlebens gehen.

Viele Imame stehen unter dem Einfluss der türkischen Behörden. Das ist der Integration nicht dienlich.

Darum ist einer der Punkte im Dialogforum die Imamausbildung. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir wollen schrittweise mehr Imame in Österreich ausbilden. Ich lehne diese Möglichkeit der Einflussnahme durch einen anderen Staat ab.

Wie beurteilen Sie die Performance der Regierungsspitze in Sachen Schuldenbremse?

Es ist er falsche Zugang, Ratingagenturen zu verteufeln, zu kritisieren und zu belehren als wären sie österreichische Behörden. Hätten wir keinen Schuldenberg von 200 Milliarden Euro, wäre das Urteil der Agentur für uns nicht entscheidend. Wir müssen uns jetzt endlich trauen, mit den notwendigen Strukturreformen die kaputten Systeme wie das Pensionssystem zu ändern. Wenn wir das nicht tun, dann werden wir noch viel über Ratingagenturen jammern müssen.

Steuern wir auf einen Generationenkonflikt zu?

Überhaupt nicht, denn das ist keine Generationen-, sondern eine Privilegienfrage.

Wie lauten Ihre Vorschläge zur Pensionsreform?

Es soll jeder einen Bonus bekommen, wenn er länger bleibt, und einen Abschlag, wenn er früher geht. Ich bin für größtmögliche Freiheit, aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit.

Wo sehen Sie sich selbst in 20 oder 30 Jahren?

Ich wollte nie mein Leben lang Politiker sein, und ich will das nach wie vor nicht. Es wird sicher noch viele unterschiedliche Stationen geben.

Gehört der Obmann der Wiener ÖVP in Ihren Augen auch zu diesen Stationen?

Mit Manfred Juracka gibt es einen guten Obmann, der die ÖVP Wien wieder zu besseren Ergebnissen führen wird.

Sebastian Kurz

Seit der Regierungsumbildung im April 2011 ist der 25-jährige Wiener Integrationsstaatssekretär. Kurz’ Bestellung war aufgrund seines Alters und seiner Aktionen als Obmann der Jungen ÖVP im Wien-Wahlkampf 2010 umstritten. Zuvor war er Mitglied im Wiener Gemeinderat.