Teheran will Sanktionen trotzen und plant neue Erdölraffinerien. | Teheran/Paris. Der Bazar im Iran ist das pulsierende Herz der iranischen Wirtschaft. Alle Versuche nach der islamischen Revolution 1979, die traditionelle Rolle des Bazars zu beschneiden, sind im Laufe der Jahre fehlgeschlagen.
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Dementsprechend symbolisch für die katastrophale Wirtschaftslage des Landes ist der schon Wochen andauernde Protest vieler Händler. Was mit einem Schreiben der Finanzbehörde, das eine Steuererhöhung um 70 Prozent für Geschäftsleute des Bazars ankündigte, begann, artet nun zur Staatsaffäre aus. Obwohl die Regierung nach einer Krisensitzung mit Vertretern der Bazare einen Rückzieher auf 15 Prozent machte, weiteten sich die Proteste wegen der Wirtschafts- und Atompolitik der Führung aus.
Hintergrund: Die jüngst von UNO, EU und USA beschlossenen Iran-Sanktionen werden in Europa rigoros beachtet, das Land bekommt sie deutlich zu spüren. Erst am Wochenende hat der Zoll am Frankfurter Flughafen die Lieferung von Siemens-Ausrüstung für den iranischen Reaktor Bushehr verhindert, da die Weiterleitung der Sendung nach Auffassung der deutschen Behörden gegen das EU-Sanktionspapier verstoßen hätte.
Vor allem großen deutschen Firmen wird der Iran ein politisch zu heißes Pflaster. Daimler, Münchner Rück und Allianz haben ihr Iran-Engagement auf ein Minimum zurückgefahren, und auch Siemens kehrt den Persern immer mehr den Rücken. Die gestoppte Lieferung, die über Russland in den Iran gelangen sollte, will Siemens übrigens nicht direkt angeordnet haben.
Auch der britische Energieriese BP hat seit Juli seine Verträge mit dem Iran auf Wunsch der USA nicht verlängert. So betankt BP mehrere Flugzeuge der staatlichen Fluggesellschaft Iran Air nicht mehr. Und der französische Ölkonzern Total verzichtet auf Geschäfte mit der Islamischen Republik. Noch im Mai stellte Total die Hälfte aller iranischen Benzin-Importe.
Royal Dutch Shell, Reliance Industries und der Schweizer Händler Glencore beliefern den Iran entweder nicht mehr oder schließen keine neuen Verträge ab. Die Assekuranz Lloyds of London will künftig keine Treibstoff-Lieferungen in den Iran versichern oder rückversichern.
OMV betankt weiter
Die heimische OMV hingegen sieht keinen Grund, ihre Betankung von Iran Air-Maschinen einzustellen. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" bestätigt Pressesprecher Sven Pusswald, dass es mit den Persern bestehende Verträge gebe, die Betankung nicht im Widerspruch zu den Sanktionen stehe und somit weiter erfolgen werde. BP hatte die weitere Belieferung mit dem Hinweis, dass die Interpretation der Sanktionen den jeweiligen Unternehmen obliege, abgelehnt.
Nach all diesen Hiobsbotschaften will die iranische Führung das Schlimmste verhindern und wirtschaftlich die Notbremse ziehen. Neben einem neuen Wirtschaftsplan, der den Ausbau der iranischen Wirtschaftsbeziehungen nach Asien und Südamerika als Ersatz für Europa vorsieht, will man 46 Milliarden Dollar in Erdölraffinerien im eigenen Land investieren. Mehr als die Hälfte des Geldes solle für den Bau neuer Raffinerien bis zum Jahr 2014 ausgegeben werden, erklärte Irans Vize-Ölminister Alireza Seighami. Von den hierfür vorgesehenen knapp 26 Milliarden Dollar sei rund ein Drittel bereits ausgegeben worden. 18 Milliarden Dollar sind demnach für Betrieb und Ausbau bereits bestehender Anlagen vorgesehen.
Es ist eine Ironie des Schicksals, dass gerade der Iran als zweitgrößter Erdölexporteur der Opec wegen seiner begrenzten Raffinerie-Kapazitäten mehr als 40 Prozent seines Benzinbedarfs importieren muss.