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Es wird eng im Wohnbau

Von Nedad Memic

Politik
© Nedad Memic

In Wien werden nicht genug geförderte Wohnungen gebaut. Experten fordern eine neue Bodenpolitik.


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Wien. Das Wohnen in Wien wird immer teurer. Im Privatsektor sind Mieten in den letzten Jahren regelrecht explodiert: Durchschnittlich stiegen sie um 34 Prozent, beklagt die Arbeiterkammer. Im Frühjahr überprüfte zudem die Stadt Wien 40.000 Inserate im privaten Bereich: Vier von fünf Angeboten im Altbaubestand waren viel zu hoch, durchschnittlich um 3,54 Euro über den zulässigen Tarifen. Während eine erfolgsversprechende Jagd auf günstige Privatmieten in Wien fast aussichtslos erscheint, verschärft sich in letzter Zeit auch die Situation im geförderten Wohnbau zunehmend.

"Die Wartelisten für eine geförderte Wohnung werden immer länger, 50 Vormerkungen auf eine Wohnung sind keine Seltenheit mehr", sagt Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik in der Arbeiterkammer Wien. Gleichzeitig warnt er, dass die Situation auf dem Wohnungsmarkt in der Bundeshauptstadt immer beunruhigender wird. Es werde im geförderten Bereich immer noch nicht ausreichend gebaut, um dem jährlichen Bevölkerungszuwachs in Wien gerecht zu werden. Laut Berechnungen der Arbeiterkammer benötigt Wien jährlich mindestens 9000 neue geförderte Wohnungen, um das bewährte soziale Gleichgewicht auf dem Wohnungsmarkt wieder zu erreichen. "Davon sind wir aber momentan weit entfernt", klagt Ritt.

Das Bauvolumen im geförderten Wohnbau bewegte sich in den letzten Jahren um rund 5000 Wohneinheiten pro Jahr. Aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig wird gleichzeitig auf die voriges Jahr beschlossene Wohnbau-Initiative verwiesen: Dank der Umsetzung des Wohnbaupakets werde es heuer voraussichtlich möglich sein, rund 9000 geförderte Wohnungen in Wien zu errichten, heißt es aus dem Ludwig-Büro.

Bodenpreise als Problem

Obwohl momentan Baupreise stabil und Bauträger bereit sind, ausreichend geförderte Wohnbauprojekte auf Schiene zu bringen, wird der Mangel an gefördertem Wohnbau grundsätzlich durch enorm gestiegene Bodenpreise begründet. Für den geförderten Wohnbau gibt es in Wien nämlich eine Preisobergrenze, die momentan bei 235 Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche beträgt. "Die tatsächlichen Preise in Wien bewegen sich mittlerweile oft schon jenseits der 1000 Euro, aber auch in schlechteren Lagen weit über den 235 Euro", sagt Robert Temel, Architektur- und Stadtforscher.

Die Stadt Wien habe praktisch nur die Möglichkeit, entweder ihre eigenen Flächen für den geförderten Wohnbau zu nutzen oder mit großen Eigentümern Vereinbarungen zu treffen, bei denen dann festgelegt wird, wie viel Prozent von einem Baugelände für den geförderten Wohnbau verwertet werden kann, erklärt Temel. "Hier müsste man politisch mit Werkzeugen der Bodenmobilisierung eingreifen, aber das hat sich bisher in Österreich noch niemand so richtig getraut", kritisiert der Architekt und spricht in diesem Zusammenhang vom Bodenbeschaffungsgesetz aus den 1970er Jahren: "Dieses Gesetz wurde scheinbar noch nie angewendet."

Zwar gibt es seit der letzten Bauordnungsnovelle eine Widmungskategorie für den förderbaren Wohnbau, diese greift aber laut Temel viel zu kurz: "Dort müssen nur die technischen, nicht aber die finanziellen Rahmenbedingungen der Wohnbauförderung angewendet werden, mehr hat man sich nicht getraut und das ist natürlich sinnlos", so der Sprecher der Plattform Baukulturpolitik. Auch für Thomas Ritt ist die Kategorie förderbarer Wohnbau alles andere als effektiv: "Das ist ein untauglicher Versuch gewesen, Bauland fürs leistbare Wohnen zu beschaffen", räumt der Kommunalexperte der AK Wien ein.

Tirol als Vorbild

Welche effektiven Instrumente der Bodenbeschaffung in Wien anwendbar wären, daran scheiden sich die Geister. Die Stadt Wien sorge jedenfalls über eine umfassende Grundstücksbevorratung dafür, dass weiterhin umfangreiche Flächen für die Errichtung von erschwinglichem Wohnraum zur Verfügung stehen, so das Büro des Wohnbaustadtrats, das dabei auf einen Rechnungshofbericht zu den ausgewählten Liegenschaftsverkäufen der Stadt Wien verweist. Anfang des Jahres stellte nämlich der Rechnungshof fest, dass der Stadt durch günstigere Liegenschaftsverkäufe Einnahmen entgehen.

Die angespannte Lage auf dem privaten, aber auch geförderten Wohnungsmarkt zeigt gleichzeitig, dass man bei der Bodenbeschaffung unbedingt neue Wege einschreiten muss. "Der Bodenmarkt braucht dringend Regulierungen", appelliert Thomas Ritt. Die Wiener Bodenpolitik sei für die Zukunft nicht ausreichend ausgerüstet. Einige positive Beispiele der Bodenbeschaffung findet Ritt etwa in Tirol: "Dort können nach Maßgabe des Bedarfs eingerichtete Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau gewidmet werden. Falls diese nicht binnen zehn Jahren der Gemeinde, dem Tiroler Bodenfonds oder einem Bauträger, der geförderte Wohnbauten errichtet, zum Kauf angeboten werden, tritt die Widmung außer Kraft", erklärt Ritt.

Auch im benachbarten Südtirol wurden Instrumente entwickelt, die zu einer effektiveren Bodenpolitik führen. Um Baukonzessionen in Erweiterungszonen auszustellen, benötigt man dort einen Durchführungsplan, in diesem Plan werden 55 bis 60 Prozent der Baumasse dem geförderten Wohnbau gewidmet. Gleichzeitig muss auf Grundstücken im Besitz der Gemeinde oder einer öffentlichen Körperschaft, die in einer Erweiterungszone liegen, die gesamte Baumasse geförderter Wohnbau sein. "Damit wird garantiert, dass auf neu ausgewiesenem Bauland genug Flächen für den geförderten Wohnbau zur Verfügung stehen", so Ritt.

Darüber hinaus kritisieren Wohnbauexperten die bundesweit geregelte Kaufoption bei geförderten Wohnungen: Diese steuere zu einer weiteren Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt bei, so etwa Robert Temel. "Ich finde es problematisch, dass mit dem Mietkauf Wohnungen gefördert werden, die über die zehn Jahre hinaus nicht preisgebunden sind." So würden Wohnbaufördermittel ihr Ziel verfehlen: "Aus meiner Sicht müssen diese Mittel vorrangig dafür da sein, um Wohnpreise zu dämpfen. Das ist beim Mietkauf jedoch nicht gewährleistet", stellt Temel fest.