Die Reform des Privatinsolvenzrechts geht in die Zielgerade.
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Wien. "Es wird keinen Gratis-Konkurs geben, und die Banken werden nicht arm werden." Clemens Mitterlehner, Chef der ASB Schuldnerberatung, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldnerberatungen, versteht die Aufregung rund um die Reform des Privatkonkurses nicht. Die Neos stören sich beispielsweise daran, dass gescheiterte Unternehmer, die in Privatkonkurs gehen, mit "Konsumschuldnern" in einen Topf geworfen würden. "Das ist nicht nur wirtschaftlich kontraproduktiv, sondern auch Unternehmern gegenüber unfair", so Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker.
"Wir unterscheiden nicht in ‚böse‘ und ‚gute‘ Schuldner", betonte hingegen Mitterlehner am Mittwoch bei der Präsentation des aktuellen Schuldenreports 2017. Hinter jedem Privatkonkurs stehe ein persönliches Schicksal, häufig werde die ganze Familie in Mitleidenschaft gezogen. Der Privatkonkurs biete eine Chance, wieder ein geregeltes Leben zu führen.
Restschuldbefreiung nach drei Jahren am Existenzminimum
Derzeit ist es noch so, dass Schuldner von ihren Schulden befreit werden, wenn sie im Rahmen eines Abschöpfungsverfahrens sieben Jahre am Existenzminimum gelebt und den Gläubigern mindestens zehn Prozent ihrer Forderungen zurückgezahlt haben. Gelingt dies nicht, leben alle Schulden und Zinsen wieder auf. Voraussichtlich ab Juli 2017 soll die Mindestquote im Abschöpfungsverfahren fallen, die Entschuldungsdauer soll auf drei Jahre sinken. Außerdem soll die Insolvenzeröffnung sofort erfolgen und nicht erst nach dem Scheitern eines außergerichtlichen Ausgleichs.
Ein Freibrief zur "Gratis-Entschuldung" ist die neue Regelung nicht, denn der Schuldner ist verpflichtet, einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen oder - falls er arbeitslos ist - sich um eine zu bemühen.
Auf den ersten Blick seien die geplanten Maßnahmen aus Gläubigersicht nicht erfreulich, sagte Peter Bosek, Privatkunden-Vorstand der Erste Group. Andererseits sei es zu begrüßen, dass die Schwelle zum Eintritt in ein Entschuldungsverfahren gesenkt werde und betroffene Personen schneller schuldenfrei sein können.
Der Privatkonkurs wurde in Österreich im Jahr 1995 eingeführt. Seitdem wurden 129.000 Verfahren eröffnet. Der Großteil der Sanierungen erfolgt mittels Zahlungsplan, dem die Gläubigermehrheit zustimmen muss und dessen Regeln auch nach der Reform unverändert bleiben.
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Privatkonkurse um 10 Prozent auf 7850 gesunken - laut Schuldnerberatern ein Zeichen dafür, dass sich viele einen Privatkonkurs nicht leisten konnten.
Überschuldung macht im Schnitt 60.000 Euro aus
40 Prozent der Klienten der staatlich anerkannten Schuldnerberatungen sind arbeitslos, knapp 30 Prozent haben maximal das Existenzminimum zur Verfügung. Die durchschnittliche Verschuldung beträgt 60.000 Euro, bei gescheiterten Selbstständigen sind es rund 111.000 Euro.
Die Schuldnerberatungsstellen bieten als Service Budgetberatungen an, bei denen Menschen, die noch nicht überschuldet sind, Unterstützung bei der Planung ihres Haushaltsbudgets erhalten. Im vergangenen Jahr wurden jedoch lediglich 276 solcher Beratungen, die der Schuldenprävention dienen, durchgeführt. Angesprochen auf die geringe Zahl sagte Mitterlehner, es sei eine Frage der Finanzierung.
Dass viel mehr Präventionsarbeit geleistet werden muss, ist auch die Meinung der Lebens- und Sozialberaterin Jenny Blaha. Die gelernte Bankkauffrau kann viele Geschichten rund ums Schuldenmachen erzählen, war sie doch selbst einmal im Privatkundengeschäft einer Bank für die Kreditvergabe zuständig. "Die Leute kommen, wenn sie das Konto überzogen haben und wollen einen Kredit, damit das Konto abgedeckt ist", schildert sie einen klassischen Fall. "Sie bringen Gehaltszettel mit, man schaut, wie hoch kann die Rate sein, was geht sich realistischerweise aus?" Doch viele könnten nicht richtig mit Geld umgehen, und "nach einem Jahr sind sie wieder dort, wo sie vorher waren".
Blaha hilft über einen gemeinnützigen Verein Menschen dabei, aus dem Teufelskreis Überschuldung herauszukommen: "Wir begleiten sie etwa vor Gericht oder schreiben Gläubiger an." Sie organisiert auch regelmäßig Gesprächsrunden für von Insolvenz betroffene Menschen, die anonym bleiben wollen.