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Es wird "nicht einfach" für Den Haag

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

In Den Haag absolvierte die EU-Kommission angeführt von Präsident Romano Prodi zum Beginn der EU-Ratspräsidentschaft der Niederlande gestern den traditionellen Antrittsbesuch. Der Premier der niederländischen Mitte-Rechts-Regierung, Jan Peter Balkenende, betonte dabei die Notwendigkeit der Kooperation zwischen der Brüsseler Behörde und dem Ratsvorsitz.


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Nach dem obligaten Empfang bei Königin Beatrix am Vormittag führte die EU-Kommission, unter ihnen auch der scheidende portugiesische Justiz- und Innenkommissar António Vitorino, für den Rest des Tages Gespräche mit niederländischen Ministern.

"Kontinuität wahren"

"Was die EU zum jetzigen Zeitpunkt am meisten braucht, ist eine Präsidentschaft, die Kontinuität bewahren kann", erklärte Balkenende unverblümt mit Hinblick auf die EU-Integration nach der Aufnahme von zehn neuen Staaten, nach den unrühmlichen EU-Parlamentswahlen, nach der Verabschiedung der neuen Verfassung und vor der personellen Erneuerung in der EU-Kommission. "Wir wollen das Boot auf Kurs halten."

Die Niederlande hätten nicht vor, Europa jetzt eine Menge neuer Pläne und Strategien aufzubürden, skizzierte Balkenende das defensiv gehaltene Programm der Ratspräsidentschaft. Vielmehr wolle man sicher stellen, dass die bereits beschlossenen Programme und Politiken umgesetzt werden.

Dazu gehört die Vorbereitung der nächsten Erweiterungsschritte. So sollen unter dem niederländischen Vorsitz die Beitrittsverhandlungen mit Rumänien bis Dezember erfolgreich beendet werden; Bulgarien hat vor wenigen Wochen das letzte Kapitel abgeschlossen. Beide Länder sollen planmäßig 2007 in die Union aufgenommen werden. In Bezug auf die Türkei wartet Den Haag den Fortschrittsbericht und die Empfehlung der EU-Kommission ab. Im Dezember soll über den Beginn von Beitrittsgesprächen entschieden werden. "Die Niederlande werden die Vorbereitungen für diese Entscheidung mit größter Sorgfalt durchführen", versicherte Balkenende.

Für Fairplay der EU gegenüber Türkei

Der neue Ratspräsident hatte sich bereits Mittwoch Abend gegen zusätzliche EU-Beitrittskriterien für die Türkei ausgesprochen (siehe auch unten stehenden Bericht). Gegenüber Ankara müsse "mit offenen Karten" gespielt werden. Die "Spielregeln" seien klar. "Wir dürfen nicht plötzlich neue Regeln einführen." Es gehe darum, ob die Türkei bis Dezember über "stabile Institutionen" verfüge und "Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte" achte, stellte Balkenende klar. Er versprach eine "wohlüberlegte und solide" Entscheidung.

"Es wird nicht einfach werden", stellte Balkenende in Bezug auf den vorzubereitenden Finanzrahmen für die Jahre 2007 bis 2013 klar. Er vertraue darauf, dass die diesbezüglichen Vorschläge der EU-Kommission die verschiedenen Meinungen der Mitgliedstaaten berücksichtigen.

Die Niederlande haben sich mit den fünf anderen Nettozahlern, darunter Deutschland und Österreich, gegen die von Brüssel angedachte Beitragserhöhung von einem auf 1,14 Prozent der Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten zum EU-Budget ausgesprochen. Gleichermaßen galt Den Haag bisher als einer der striktesten Verfechter des Stabilitäts- und Wachstumspakts.

Beim "nachhaltigen" Wirtschaftswachstum sowie in den Fragen Sicherheit und Migration streben die Niederlande Fortschritte an. Der Lissabon-Prozess soll wiederbelebt werden. Mit diesem Programm soll die EU eine größere Wettbewerbsfähigkeit erreichen.

Hitzige Debatten

In der Einwanderungspolitik verfolgte der niederländische Regierungschef bisher einen eher strikten Kurs. Wie der Terrorismus gemeinsam erfolgreicher bekämpft werden könne und die Sicherheitskräfte in Europa besser zusammenarbeiten können, seien Fragen, denen sich die EU stellen müsse. "Das sind alles brennende Fragen", betonte Balkenende. So auch die engere Kooperation in der Asyl- und Migrationspolitik.

Schließlich hob Balkenende die anstehende Ratifikation der EU-Verfassung in den Mitgliedstaaten hervor. Das werde die Debatte über die EU sogar in jenen Ländern anheizen, die kein Referendum planen. "Das wird die EU weniger abstrakt erscheinen lassen, und das ist gut so."

http://www.eu2004.nl