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"Es zahlt sich aus, Landwirt zu sein"

Von Hermann Sileitsch und Stefan Melichar

Wirtschaft

"Kein Dioxin bei österreichischen Gütesiegeln." | Atomkraft: "Poche auf umfassende Information und Transparenz." | "Wiener Zeitung": Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) will mit Mitteln aus dem Energiefonds der schwächelnden Autoindustrie unter die Arme greifen. Was halten Sie als Umweltminister von dieser Idee?


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Nikolaus Berlakovich: Hier ist ein Branchengespräch vereinbart, dem ich nicht vorgreifen möchte. Man muss sich anhören, was die betroffenen Betriebe zu sagen haben und wie man effektiv helfen kann.

Die Regierung macht Spenden für humanitäre Zwecke steuerlich absetzbar. Gibt sie damit eine Empfehlung gegen die Unterstützung - mitunter als lästig empfundener - Umweltaktivisten ab?

Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Verschlechterung ist eine Unterstützung der Armutsbekämpfung wichtig. Auf der anderen Seite kooperiert das Lebensministerium sehr wohl mit Umweltschützern, die im Rahmen gemeinsamer Projekte Geld bekommen.

Haben sich angesichts des wirtschaftlichen Abschwungs die Prioritäten grundsätzlich etwas zulasten des Klimaschutzes verschoben? So wimmelt es etwa im kürzlich verabschiedeten EU-Klimapaket von Ausnahmen.

Das Energie- und Klimapaket ist ein großer Wurf. Damit ist Europa weltweit in der Vorreiterrolle. Allerdings steuern wir auf wirtschaftlich schwierige Zeiten zu. Da geht es einerseits natürlich um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Gleichzeitig bleiben aber auch die Klimaschutzziele gewahrt.

Wie will man denn sicherstellen, dass dadurch nicht letztlich doch Arbeitsplätze gefährdet werden?

Das EU-Klimapaket sieht vor, dass energieintensive Branchen, die im internationalen Wettbewerb stehen, CO2-Zertifikate gratis zugeteilt bekommen. Das heißt allerdings nicht, dass diese Unternehmen mehr CO2 ausstoßen dürfen.

Gerade die Industrie beklagt sich aber auch über teuren Ökostrom und das Ziel, den Anteil an erneuerbarer Energie bis 2020 auf 34 Prozent zu erhöhen. Ist diese Vorgabe überhaupt zu erreichen?

Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Um dieses zu erreichen, brauchen wir einen Mix aus Biomasse, Bio-Treibstoff, Sonnenenergie, Windenergie und Wasserkraft. Eine Aufweichung des 34-Prozent-Ziels ist für mich kein Thema.

Gerade im Energiebereich sieht das Regierungsprogramm eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren vor - unter anderem auch für Wasserkraftwerke. Hat man in der Vergangenheit hier zu sehr den Umweltschutz vor die Interessen des Standorts gestellt?

Ich sage als Umweltminister prinzipiell ja zur Wasserkraft. Die Ökologie darf dabei ihren hohen Stellenwert aber nicht verlieren. Eine Verkürzung von Einspruchsfristen ist nicht das Ziel, aber von zügigen und dennoch ordnungsgemäßen Verfahren profitieren alle Seiten.

Es gibt immer noch kein Klimaschutzgesetz, das die Durchsetzung der Klimaziele - vor allem gegenüber den Bundesländern - ermöglicht. Wann werden Sie ein solches präsentieren?

Es bedarf einer nationalen Kraftanstrengung, um die ehrgeizigen EU-Klimaziele zu erreichen. Ich möchte die Arbeiten unter Einbindung aller Akteure zügig vorantreiben.

Haben Sie bei sich zu Hause eigentlich schon sämtliche Glühbirnen (werden ab September 2009 EU-weit schrittweise abgeschafft, Anm.) durch Energiesparlampen ersetzt, oder hamstern Sie bereits 100-Watt-Birnen?

Teilweise verwende ich Energiesparlampen. Außerdem heize ich mit einer Hackschnitzelheizung.

Immer mehr EU-Staaten setzen bei der Energieversorgung auf die Atomkraft. Zuletzt hat Italien den Bau neuer Kernkraftwerke angekündigt. Wird Österreich mit seiner ablehnenden Haltung hier an den Rand gedrängt?

Wir sagen nein zur Atomkraft. Diese ist kein geeignetes Mittel, um die Klimaziele zu erreichen. Allerdings hat jeder Staat das Recht, seine eigene Energieform zu wählen. Mir ist wichtig, dass die maximale Sicherheit der österreichischen Bevölkerung gewährleistet ist. Wir pochen zudem auf umfassende Information und Transparenz.

Trotz hoher Nahrungsmittelpreise wird das Durchschnittseinkommen der heimischen Bauern heuer sinken. Da überrascht es nicht, dass die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe kontinuierlich abnimmt.

Es zahlt sich aus, Landwirt zu sein. Funktionierende bäuerliche Betriebe sind wichtig zur Sicherstellung einer hochqualitativen, gesunden Ernährung. Grund für den Einkommensrückgang sind die gestiegenen Kosten für Betriebsmittel wie Dünger oder Pflanzenschutzmittel. Die Regierung bekennt sich dazu, Investitionsprogramme aufzustellen, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Bauern zu erhalten.

Kaum eine andere Branche scheint dermaßen von öffentlichen Förderungen und Produktionsquoten abhängig wie der Agrarsektor. Inwieweit kann hier überhaupt von Wettbewerbsfähigkeit die Rede sein?

Unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft muss gegen die agroindustrielle Konkurrenz aus Übersee antreten. Deshalb halte ich etwa Ausgleichszahlungen und Umweltprämien für richtig und notwendig. Immerhin übernimmt die Landwirtschaft eine wichtige Funktion für Landschaftspflege und Gesellschaft.

Die Politik erweckt gerne den Eindruck, in Österreich gebe es nur benachteiligte Bergbauern. Trotzdem finden sich unter den größten Beziehern von EU-Förderungen in erster Linie Nahrungsmittelkonzerne und Großgrundbesitzer. Wird es hier in Zukunft Verschiebungen geben müssen?

Tatsächlich soll es ab 2013 zu einer Neuorientierung der EU-Agrarpolitik kommen. Wir werden hier in Österreich rechtzeitig die Diskussion beginnen. Fest steht aber, dass die EU-Förderungen keine Sozialleistung darstellen. Wenn Betriebe große Flächen unter ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaften, bekommen sie mehr Prämien.

Ab 2015 wird die Milchquote, die in der EU für eine stabile Produktion und stabile Preise sorgt, fallen. Wie wird Österreich damit umgehen?

Wir müssen den Milchstandort Österreich sichern. Dazu ist ein Bündel an Maßnahmen nötig, wie etwa Milchkuhprämien oder Investitionsförderungen.

Eine zusätzliche Einkunftsart stellt die Produktion von Energie aus Biomasse dar. Kritiker wenden sich gegen dieses "Heizen mit Weizen".

Die Energieproduktion ist ein wichtiges Standbein für die Landwirtschaft. Heuer hatten wir durch Regenfälle bedingt viel Getreide mit schlechter Qualität, das nicht zur Lebensmittelproduktion herangezogen werden könnte, für Biosprit aber bestens geeignet ist. Darüber hinaus forschen wir an Biotreibstoffen der nächsten Generation, bei denen nicht nur das Korn, sondern die ganze Pflanze verwertet werden kann.

Sie haben vorhin die Sicherstellung einer gesunden Ernährung betont. Gleichzeitig wurde auch in Österreich dioxinverseuchtes Schweinefleisch aus Irland importiert. Sollte es eine bessere Kennzeichnungspflicht geben?

Es ist bedauerlich, dass es zu diesem Vorfall gekommen ist. Allerdings war kein österreichisches Gütesiegel betroffen. Bei Rindfleisch gibt es bereits eine entsprechende Rückverfolgbarkeit der Ware. Wir arbeiten daran, dass das auch bei Schweinefleisch eingeführt wird. Das muss allerdings EU-weit passieren.

Ähnlich wie bei der Atomkraft scheint Österreich auf europäischer Ebene auch in Sachen Gentechnik den Kürzeren zu ziehen. Ist dieser Kampf schon verloren?

Nein. Europa beginnt sich in unsere Richtung zu bewegen. Es gibt nun EU-weit die Möglichkeit, gentechnikfreie Regionen zu definieren - und Österreich soll gentechnikfrei bleiben.

"Zur Erreichung der EU-Klimaziele bedarf es einer nationalen Kraftanstrengung."

"Die Energieproduktion ist ein wichtiges Standbein für die Landwirtschaft."

Zur Person

Mit dem Burgenländer Nikolaus Berlakovich hat die ÖVP einen erfahrenen Landespolitiker in die Regierung geholt. Der heute 47-jährige studierte Agrarier (Landwirtschaft und Pflanzenproduktion an der Universität für Bodenkultur in Wien) saß ab 1991 im burgenländischen Landtag - ab 2002 als Klubchef für die Volkspartei. 2005 wurde er Agrar- und Umweltlandesrat.

Der Burgenlandkroate lebt im mittelburgenländischen Nebersdorf. Er ist mit einer Ärztin verheiratet und hat zwei Kinder. Berlakovich gehört - wenig überraschend - dem ÖVP-Bauernbund an.

Der neue Landwirtschafts- und Umweltminister gibt sich auch in Zusammenhang mit der Stärkung erneuerbarer Energieträger heimatverbunden: Als Positivbeispiel und Vorbild verweist er gerne auf die energieautarke burgenländische Stadtgemeinde Güssing.