Der Valentinstag am 14. Februar war zugleich auch der "Internationale Welttag der Impotenz" und damit der geeignete Schlusspunkt für die "European Sexual Awareness Week" (ESAW), die in 14 europäischen Ländern begangen wurde. Wichtigste Erkenntnis der Experten: Über sexuelle Probleme von Mann und Frau wird noch immer zu wenig gesprochen.
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"Sexualstörungen werden oft nicht einmal dem Vertrauensarzt anvertraut", bringt es Univ.-Prof. Siegfried Meryn auf den Punkt. Der Präsident der ISMH (Inernational Society for Men's Health & Gender) weist auch darauf hin, dass viele Probleme organische Ursachen haben. Herzprobleme oder Diabetes ließen sich manchmal früher erkennen, wenn die richtige Frage gestellt würde, nämlich: "Ist Ihre Sexualität befriedigend?" Die Erfahrung zeige nämlich, "dass Männer meist drei bis vier Jahre brauchen, bis sie von sich aus mit dem Arzt über sexuelle Probleme reden", weiß Meryn.
Auch Frauen ernst nehmen
Das weibliche Sexualorgan werde von der Fachmedizin am meisten vernachlässigt, ist Elia Bragagna, die Leiterin der Sexualambulanz im Wilhelminenspital, überzeugt. "Die Vagina wird bestenfalls als Geburtsausgang betrachtet. Frauen ohne erkennbare physische Störungen werden vom Gynäkologen oft zum Psychiater weitergeschickt." Freilich sei ein Gespräch mitunter zielführender als teure Untersuchungen. Andererseits müssten aber auch organische Indikationen mit möglichen psychosozialen Störungen in Zusammenhang gebracht und entsprechend therapiert werden, statt sie gesondert zu behandeln.
Bis vor zwei Jahren war das größte Problem das Fehlen einer offiziellen Stelle, an die man/frau sich bei sexuellen Problemen wenden konnte. "Ich war erst gar nicht sicher, ob es überhaupt Bedarf für die Sexualambulanz gibt. Aber seit ich dort arbeite, komme ich kaum noch nach", schildert Bragagna ihren Bereich der Sozialmedizin. Die Störungen, mit denen sich die Ambulanz befasst, reichen dabei vom vorzeitigen Samenerguss bis zum Verlust der Libido.
Einen Konsens finden
Dass partnerschaftliche Probleme zumeist auf eher simplen Faktoren beruhen, versucht der Seminarkabarettist Bernahrd Ludwig seit nunmehr zehn Jahren seinem Publikum zu demonstrieren. Ludwigs Gleichung: "Sexuelle Unzufriedenheit ist das Erwartete dividiert durch das Erreichte." Er vergleicht die unterschiedlichen Erwartungen der Sexualpartner mit individuellen Fingerabdrücken mit einem kleinsten gemeinsamen Nenner - diesen gelte es herauszufinden und zu erweitern. "Es bedarf jedenfalls einer nachhaltigen Verhandlungsmoral, um eine erotische Partnerschaft langfristig abzusichern", mahnt Ludwig.
Es gibt für die Sexualmediziner allerdings nicht nur Grund zum Jammern, meint Meryn: "Gerade im Bereich der Biochemie der Sexualforschung hat sich jüngst auch sehr viel Positives getan."