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Investoren erhoffen EZB-Signal für Anleihenkäufe - sonst droht Marktabsturz.
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Brüssel/Frankfurt. Der Vertrag über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) ist in weiten Teilen ein Blankoscheck. Die Verfasser haben sich alle Optionen offen gelassen: So könnten die Finanzminister die Geldmittel notfalls unbegrenzt aufstocken oder neue Instrumente zur Krisenbekämpfung erfinden.
Die Frage, ob der ESM auch eine Banklizenz erhalten sollte, damit er sich bei der Europäischen Zentralbank unbegrenzt Geld besorgen kann, ist heftig umstritten. Befürwortern wie Frankreich und Italien steht Deutschland gegenüber. Die Bundesregierung lehnt die Idee laut Wirtschaftsminister Philipp Rösler geschlossen ab: "Die Kanzlerin, der Finanzminister und ich sind uns einig, dass eine Banklizenz für den ESM nicht unser Weg sein kann", sagte er am Mittwoch in Berlin. "Wir wollen nicht den Weg in eine Inflationsunion, sondern haben den Weg in eine Stabilitätsunion beschrieben." Dazu gehörten Fiskalpakt und ESM gemeinsam. Italiens Premier Mario Monti rechnet trotzdem mit einer Banklizenz: "Ich denke, dass dies helfen und zu gegebener Zeit kommen wird."
Der Clou an der Sache: Rechtlich betrachtet wäre der ESM wohl gar nicht auf eine Banklizenz angewiesen. Laut Artikel 32, Absatz 9 des Gründungsvertrags ist der ESM "von jeglicher Zulassungs- oder Lizenzierungspflicht, die nach dem Recht eines ESM-Mitglieds für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen oder sonstige der Zulassungs- oder Lizenzierungspflicht sowie der Regulierung unterliegende Unternehmen gilt, befreit". Theoretisch könnte der designierte ESM-Chef Klaus Regling demnach sogar eine Trafik oder Apotheke in Österreich aufsperren.
Bemerkenswerterweise hat diesen Passus der deutsche Bundestag mit dem Vertragstext bereits abgesegnet. In die Suppe spucken könnten jetzt nur noch die Verfassungsrichter in Karlsruhe, die bis 12. September feststellen, ob der ESM-Vertrag auch mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist.
Startet EFSF Anleihenkäufe?
Ob der ESM Zugriff auf EZB-Geld erhält oder nicht, bewertet Cinzia Alcidi, Expertin beim Brüsseler Thinktank Ceps, bewertet es im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" in erster Linie als politische Frage: "Wenn es den Willen gibt, ist es möglich." Es gibt schließlich schon vergleichbare Beispiele wie die Europäische Investitionsbank, die Zugriff auf EZB-Geld hat.
Von der EZB-Sitzung heute, Donnerstag, erwarten sich die Märkte Großes. Vielleicht zu Großes. EZB-Chef Mario Draghi kündigte zwar in London an, dass die Zentralbank im Rahmen ihres Mandates alles unternehmen werde, was nötig sei, um den Euro zu retten: "Und, glauben Sie mir, es wird ausreichen." Alcidi befürchtet nun aber, dass die Enttäuschung groß sein könnte, wenn Draghis Taten nicht mit seinen Worten Schritt halten. Der befürchtete Börsenabsturz wäre dabei wohl noch leichter zu verkraften als ein weiterer Anstieg der Zinsen auf spanische und italienische Staatsanleihen.
Was könnte Draghi tun? Seine Wortwahl legt nahe, dass die EZB wieder Staatsanleihen von Krisenländern wie Spanien (aus zweiter Hand) kaufen könnte. Das umstrittene Ankaufprogramm liegt seit März auf Eis. Insgesamt wurden seit Mai 2010 Bond-Geschäfte um 211,5 Milliarden Euro abgewickelt. Die Wirkung war jedoch nur temporär - es wurde Zeit erkauft. Mehr beeindrucken würde die Märkte, wenn der aktuelle Eurorettungsfonds EFSF mit der EZB akkordiert Anleihen kauft. Diese Möglichkeit gibt es, sie wurde aber nicht eingesetzt - was Zweifel am politischen Willen aufgeworfen hat. Der Haken: Die Mittel im auslaufenden EFSF sind begrenzt, gibt Alcidi zu bedenken. Und der ESM ist wegen des ausstehenden Karlsruhe-Urteils noch nicht startklar.
Eine weitere Senkung des Leitzinses, nur vier Wochen nachdem die EZB diesen auf das Allzeittief von 0,75 Prozent gedrückt hat, wäre höchst ungewöhnlich.
Auch ein weiterer Mega-Kredit für die Banken wie im Dezember 2011 und Februar 2012 ist unwahrscheinlich. Zwar kauften die Banken damit zum Teil Staatsanleihen und minderten so die Zinslasten für die Krisenstaaten. Schon die zweite Tranche sei aber nicht mehr sehr effizient gewesen, sagt Alcidi. Viele kritisierten, dass die Probleme der Banken und der Staaten dadurch sogar noch mehr vermengt wurden.
Egal, wie die EZB handelt: Sie kann nur die Symptome der Krise bekämpfen. Lösen kann sie diese nicht. Das bleibt den EU-Politikern vorbehalten, die Europas Integration voranbringen müssen.
Fed verändert Zinssatz nicht
Die US-Notenbank Federal Reserve war mit ihrer Zinsentscheidung am Mittwochabend einige Stunden vor der EZB dran. Trotz der Konjunktursorgen in den USA verzichteten die Währungshüter auf weitere Konjunkturspritzen: Sie beließen den Zinssatz unverändert zwischen 0 und 0,25 Prozent.