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ETA bombt ohne Vorwarnung

Von "WZ"-Korrespondent Günther Bading

Europaarchiv

Sorge an den Mittelmeerstränden. | 21. Anschlag seit letzten Juni. | Madrid. Ein toter Polizist, vier verletzte Beamte und ein bis zur Unbrauchbarkeit zerstörtes Dienstgebäude der Guardia Civil sind in nüchternen Zahlen das Resultat eines Bombenattentats der baskischen Terrorgruppe ETA in dem kleinen Ort Legutiano, 17 Kilometer von des baskischen Hauptstadt Vitoria entfernt. Es war der 21. Anschlag seit dem Ende des Waffenstillstands der separatistischen Gruppe im Juni vergangenen Jahres. Und der 76. direkte Angriff auf eine Kaserne der Guardia Civil. Seit langem ist dies der erste Anschlag ohne telefonische Vorwarnung. Der baskische Innenminister Javier Balza räumte "eine mächtige Infrastruktur" der Terroristen ein.


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Die beiden vermummten Terroristen kamen am Dienstag kurz vor drei Uhr morgens mit einem Citroen-Berlingo auf der Nationalstraße 240. Sie parkten unmittelbar vor dem Eingang der Guardia Civil-Kaserne, einem mächtigen alten Bau mit Innenhof, wo 15 Beamte mit ihren Familien arbeiten und wohnen. Die Täter stiegen um in einen Peugeot 306 und fuhren zu dritt davon. Der 41-jährige Juan Manuel Piñuel Villalón sah den Vorgang aus seinem Wachhäuschen vor der Kaserne. Er gab sofort Alarm. Zu spät. Die Bombe im Lieferwagen zündete, zerstörte das Wachhaus und die Front des Kasernengebäudes. Der Wachhabende Piñuel war sofort tot.

Ein Kollege wurde unter Trümmern schwer verletzt gefunden, zwei weitere Beamte wurden leicht verletzt. Juan Manuel Piñuel hatte sich erst im März ins Baskenland versetzen lassen.

Gefahrenposten mit dem Leben bezahlt

Der 41-jährige Familienvater wollte auf gefährlichem Posten "Punkte sammeln", wie seine Kollegen berichten, um sich für eine Stelle in seiner Heimatstadt Malaga in Andalusien zu qualifizieren. Der Anschlag auf das "cuartel" (Kaserne) war der 76., den ETA gegen eines der Dienstgebäude verübt hat, in denen die Guardia Civil-Beamten nicht nur ihren Dienst tun, sondern wo auch deren Familien wohnen. Legutiano liegt nur 25 Kilometer von Durango entfernt. Dort hatte die ETA im August vergangenen Jahres nach dem gleichen Muster eine Guardia Civil-Kaserne schwer beschädigt. Allerdings hatte die ETA dort zuvor eine Telefonwarnung gegeben, sodass evakuiert werden konnte und niemand ernsthaft verletzt wurde. Diesmal gab es keine Warnung. Experten gehen angesichts der gewaltigen Explosion von mindestens 100 und höchsten 300 Kilogramm Sprengstoff aus. Der Motor des Bombenautos wurde 200 Meter von dem Detonationskrater entfernt gefunden.

36 Menschen sind bei Anschlägen auf Guardia Civil-Kasernen bisher getötet worden. Darunter ein sechsjähriges Mädchen, das zusammen mit seinem Großvater durch die Explosion einer Bombe vor dem Guardia Civil-Gebäude in Santa Pola an der Mittelmeerküste ums Leben kam.

Angst vor Terror inTourismuszentren

An den spanischen Küsten herrscht seit Dienstag höchste Alarmbereitschaft. Denn der Anschlag könnte Auftakt zu einer neuen Sommer-Offensive der ETA sein. Und die hat in der Vergangenheit häufig die Touristenzentren in Andalusien und an den Stränden der Levante, von Barcelona über Valencia bis Alicante getroffen. Die Terrorgruppe sucht ihre Ziele so, dass sie dem Ansehen der jeweiligen Regierung möglichst viel Schaden zufügen. Der spanische Wirtschaftsboom bis 2007 stützte sich vor allem auf die Baukonjunktur und den Tourismus. Das Baugewerbe steckt inzwischen in einer tiefen Krise. Aus Sicht der Terroristen drängt sich der Tourismus deshalb als aktuelles Ziel geradezu auf.

Seit dem Ende der Friedensverhandlungen der Regierung mit der ETA und dem Ende des "Waffenstillstandes" vor einem Jahr fürchtet man an den Mittelmeerstränden somit eine neue "Sommerkampagne".