Bund schießt 3,5 Millionen Euro für Start dazu. | Gefährdung von Kindern künftig mit Vier-Augen-Prinzip abschätzen. | Wien. Es war die erste harte Bewährungsprobe für Familienstaatssekretärin Verena Remler (ÖVP). Die Osttirolerin konnte überraschenderweise schon am Montag fünf Länder für ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz gewinnen. Wien, Niederösterreich, Kärnten Tirol und Vorarlberg stehen dahinter. Die anderen vier Bundesländer müssen noch mit ihren Finanzreferenten klären, ob eine Zustimmung möglich ist. Wenn sämtliche Konsultationsersuchen bis Anfang April zurückgezogen werden, könnte das Bundes-Kinder- und -Jugendhilfegesetz schon am 1. Juli in Kraft treten.
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Remler wertete das Treffen mit den Ländervertretern im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" als "großen Etappenerfolg". Es habe seit März 2010 keinerlei Bewegung in dieser Frage gegeben, nun sei es gelungen, die Länder mit an Bord zu holen. Möglicherweise hat Remler auch deshalb überzeugt, weil sie eine Anschubfinanzierung des Bundes von 3,6 Millionen Euro auf den Tisch gelegt hat. "Jede Qualitätsverbesserung ist mit Mehrkosten verbunden", sagte Remler. Deshalb leiste der Bund diese Unterstützung. Laut Experten werden die Länder für die Umsetzung des Gesetzes gemeinsam 3,6 Millionen Euro aufwenden müssen. Das erste Jahr übernimmt der Bund, die weitere Finanzierung sei auch eine Frage des Finanzausgleichs, sagte Remler.
Mögliche Gefährdung wird neu abgeklärt
Der wichtigste und auch strittigste Punkt des Jugendhilfegesetzes ist eine Änderung der Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung. Darunter versteht man jenen Prozess, der notwendig ist, um die Erziehungssituation des Kindes abzuschätzen - wofür ein Vier-Augen-Prinzip vorgesehen ist. Im Gesetzestext steht: "Erforderlichenfalls ist das Vier-Augen-Prinzip anzuwenden."
Geplant ist, dass künftig zwei Sozialarbeiter oder Psychologen und Sozialpädagogen abklären, ob Kinder gefährdet sind. Nach einer Analyse soll abgesteckt werden, wie die betroffenen Familien unterstützt und vor allem wie sie überprüft werden können.
Remlers Vorschläge sehen weiters einheitliche Standards für Heime, Pflege- und Adoptiveltern sowie eine Professionalisierung der Fachkräfte vor.
Druck kam zuletzt auch von Experten. So sprach sich die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits für eine verpflichtende Verankerung des Vier-Augen-Prinzips in dem neuen Gesetz aus. Wie konkret die Mitarbeiter ausgebildet sein müssen, bleibe unklar, so Pinterits. Georg Dimitz vom Berufsverband der Sozialarbeiter hoffte noch am Montag, dass sich die Bundesländer durch die letzten tragischen Fälle ihrer Verantwortung bewusst seien.
Zur Erinnerung: Nach dem Fall Luca vor drei Jahren war die Novellierung des 20 Jahre alten Jugendwohlfahrts-Gesetzes angekündigt worden. Inzwischen liegt der dritte Entwurf vor. Die Novellierung wurde zuletzt wieder in der Debatte um den Fall Cain, der Anfang Jänner vermutlich vom Lebensgefährten der Mutter erschlagen wurde, eingefordert. Das Land Vorarlberg hat das Personal in den Jugendwohlfahrtsabteilungen der vier Bezirkshauptmannschaften inzwischen mit zusätzlichen vier Dienstposten aufgestockt.