)
EuGH-Gutachter: Anleihenkäufe durch die EZB sind unter Auflagen erlaubt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Luxemburg. Die Europäische Zentralbank ist mit Währungs-Experten bestückt, die nationalen Gerichte sind es nicht. Deswegen sollte man in Fragen des Euros eher die EZB entscheiden lassen als die nationalen Gerichte. Das ist die Meinung des spanischen Juristen Pedro Cruz Villalón - und damit wohl bald die herrschende Judikatur in Europa. Denn Cruz Villalón ist der zuständige Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der Jurist hat am Mittwoch sein Diktum zum umstrittenen Anleihenkauf der EZB bekanntgegeben. In der Regel folgt der EuGH dem Vorschlag seines Generalanwalts. Das Urteil selbst wird erst im Herbst erwartet.
Gerichte sollen sich in Zurückhaltung üben
Der Generalanwalt sprach sich nun dafür aus, dass die Ankäufe von Anleihen kriselnder Euro-Staaten unter Auflagen erlaubt sein sollen. Das sogenannte OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) sei unter bestimmten Auflagen grundsätzlich mit den europäischen Verträgen vereinbar, erklärte Cruz Villalón. Seines Erachtens liegt "die Konzipierung und Durchführung der Währungspolitik in der ausschließlichen Zuständigkeit der EZB", die dabei über ein "weites Ermessen" verfügen müsse. Dabei soll sie offenbar nicht ständig einen Schuss vor den Bug bekommen: "Die Gerichte haben ihre Kontrolle der Tätigkeit der EZB mit einem erheblichen Maß an Zurückhaltung vorzunehmen, da ihnen die Spezialisierung und Erfahrung fehlen, die die EZB auf diesem Gebiet besitzt."
Cruz Villalón spielt damit den Ball an die Politik zurück: Denn insbesondere in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren der Gang zum Verfassungsgericht in Fragen des Euro-Managements ein beliebtes Mittel. Juristen wurden angerufen, um auszuloten, was die Währungsunion im Einzelnen bedeutet.
Erst im März 2014 hatte etwa der deutsche Verfassungsgerichtshof in Karlsruhe dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM (vulgo "Rettungsschirm") den Sanktus der Verfassungskonformität und damit Rechtsgültigkeit geben müssen, genauso wie auch dem Fiskalpakt.
Doch eine andere Euro-Problematik, die den Karlsruher Richtern vorgelegt wurde, nämlich ob die Ankäufe von Staatsanleihen zur Stabilisierung der Währung im Einklang mit den Europäischen Verträgen stehen, war den deutschen Verfassungsrichtern zu brisant, um sie alleine in Baden-Württemberg zu entscheiden. Deswegen hatten sie den EuGH für eine letztgültige Entscheidung angerufen. Karlsruhe selbst hatte sich mit sechs zu zwei Stimmen deutlich für ein Verbot des Anleihenankaufs ausgesprochen. Das Gericht erklärte damals, dass das Programm seines Erachtens über das Mandat der EZB für die Währungspolitik hinausgehe und damit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten übergreife sowie gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung verstoße.
Geldpolitik schwer von Wirtschaftspolitik abzugrenzen
Das sieht nun der Generalanwalt des EuGH anders. Der Ankauf von Staatsanleihen zur Stabilisierung des Euros würde den Zielen der Währungspolitik entsprechen. Es wäre zwar eine "unkonventionelle", aber geldpolitische Maßnahme. Allerdings müsse die EZB darauf achtgeben, dass der Ankauf der Staatsanleihen seinen Charakter als währungspolitische Maßnahme wahrt und nicht in ein Finanzhilfeprogramm abrutscht. Die EZB soll sich bei direkten Beteiligungen für Finanzhilfeprogramme von Staaten enthalten.
Des weiteren erklärt der Gutachter des EuGH, dass die Ankäufe von Anleihen der Euro-Staaten auf dem Sekundärmarkt sehr wohl erlaubt seien - also wenn sie nicht direkt vom emittierenden Staat gekauft werden. Letzteres würde nämlich eine verbotene Finanzierung der Staaten bedeuten. Deswegen müsste die EZB den Ankauf von Staatsanleihen derart durchführen, dass sich erst einmal ein Marktpreis für die Anleihen bilden müsse, und sie nicht sofort nach Emittierung der Anleihen dieselben auf dem Sekundärmarkt kaufen sollte. Deswegen müsse man "zeitliche Umstände" berücksichtigen.
EZB-Chef Mario Draghi hatte im Sommer 2012 das OMT-Programm als mögliches EZB-Mittel zur Stabilisierung angekündigt. Es ist allerdings noch nie zur Anwendung gekommen.