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Bagdad - "Ich denke, dass mit diesem Besuch die schwarzen Wolken am Himmel des Irak etwas lichter werden": Sichtlich entspannt und vorsichtig optimistisch kehrte der vatikanische Sonderemissär Kardinal Roger Etchegaray von seiner Begegnung mit Präsident Saddam Hussein in die Bagdader Nuntiatur zurück.
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Einzelheiten des eineinhalbstündigen Gesprächs wollte der Kardinal nicht nennen. Der Ort des Treffens blieb geheim, ebenso die Umstände und die Route der mehrstündigen Hin- und Rückfahrt. Man habe über "viele konkrete Fragen" gesprochen, sagte Etchegaray. Hauptfrage war, ob wirklich alles getan worden sei, um den Frieden zu erhalten und ein Klima des Vertrauens wiederherzustellen - ein Vertrauen, dass es dem Irak ermöglicht, "wieder seinen Platz in der internationalen Gemeinschaft zu finden".
"Ich muss sagen, dass ich sogar einige konkrete Ergebnisse sehe", sagte der Kardinal in einem "Corriere della Sera"-Interview. Er nannte etwa das jüngste Dekret Saddam Husseins, mit dem die Produktion oder Einfuhr chemischer, biologischer oder nuklearer Waffen ausdrücklich verboten wurde. Er habe den irakischen Präsidenten sehr offen für einen Dialog erlebt. "Ich habe ihn dazu gedrängt, sich bis zum Äußersten zu bewegen, um einen bewaffneten Konflikt zu verhindern".
Drei Tage lang hatte Saddam den Sonderemissär des Papstes warten lassen. Normalerweise empfange Saddam fast nie Abgesandte. Dass es trotzdem zu einem so langen Gespräch gekommen sei, bezeuge die Anerkennung für die moralische Autorität des Papstes, meinte Etchegaray. In Bagdad sei es ihm um einen Beitrag für ein Klima des Vertrauens gegangen. Ganz besonders wichtig sei Vertrauen in die Arbeit der UN-Inspektoren. Er habe zu einer engeren Zusammenarbeit mit den Inspektoren gedrängt. Aber "das gilt für alle, auch für die USA", meinte der Kardinal. Etchegaray hatte den Eindruck, dass Saddam Hussein über die letzten Entscheidungen des Sicherheitsrates erleichtert sei.
Der Vatikan hält sich mit einer Einschätzung seiner diplomatischen Bemühungen zurück. Der "Osservatore Romano" schrieb am Sonntag "Irak: Keine Beweise im Inspektorenbericht über substanzielle Verletzungen". Darüber prangte freilich als Haupt-Titel: "Die Kraft des Gebetes" - mit dem die Gläubigen Gott die Zukunft des Friedens anvertrauen. Bei seiner Ansprache vor dem Angelus-Gebet ging der Papst mit keinem Wort auf die aktuelle Lage ein. Er wollte offensichtlich erst die Rückkehr Etchegarays abwarten. Dessen Bericht wird die weiteren Schritte der Vatikan-Diplomatie bestimmen.