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Ethik statt Kaffeehaus: Eine Formel zur Rettung des Religionsunterrichts?

Von Christoph Rella

Analysen

Religion ist in Österreich ein Pflichtgegenstand. Was aber nicht heißt, dass damit auch automatisch der Glaube an das, was in den Klassenzimmern zwei Mal wöchentlich unterrichtet wird, als verpflichtend vorausgesetzt werden könnte. Diese Zeiten sind vorbei, was zudem anhand der steigenden Zahl jener Schüler, die sich alljährlich vom Religionsunterricht abmelden, sichtbar wird. Anstatt brav die Bibel zu lesen, gehen rund sechs Prozent der katholischen Kinder spazieren.


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Das war nicht immer so: Die Grundlage für den verpflichtenden Religionsunterricht hatten der österreichische Staat und der Vatikan vor 78 Jahren mit der Unterzeichnung des Konkordats gelegt. Ein Privileg, das die katholische Kirche bis heute zu verteidigen gewusst hat. Dass sich neuerdings immer mehr Kinder vom Religionsunterricht abmelden - dagegen hilft halt kein Stück Papier.

Was aber helfen könnte - und das haben die Proponenten der Kirche mittlerweile gut erkannt - ist die Einführung einer "Konkurrenzveranstaltung", die die Schüler, anstatt im Kaffeehaus zu sitzen, zurück an die Schulbank zwingt: Der verpflichtende Ethikunterricht. Zwar ist in dem Fach nicht mehr so viel von Jesus Christus, den Sakramenten und der Bibel die Rede. Dafür muss sich aber der Jugendliche mit anderen (in seinen Augen vielleicht genauso langweiligen) religiös-ethischen Themen befassen: Die Bandbreite reicht von den Weltreligionen und Ideologien über Sozial- und Individualethik bis hin zu heftig umstrittenen Themen wie Pränataldiagnostik, Abtreibung, Sterbebegleitung und Euthanasie. Sonderlich lustig klingt das alles nicht. Also warum sich überhaupt abmelden?

Zumal die Voraussetzungen für eine rasche flächendeckende Einführung des Ethikunterrichts, wie gefordert, nicht besser, sondern schlechter geworden sind. Woran es hakt, sind nach wie vor der fehlende Lehrplan und die Finanzierung. Zwar werden die Ethiklehrer seit 2002 an Kirchlichen Pädagogischen Hochschulen und an der Universität, wo ein eigenes Diplomstudium der Ethik belegt werden kann, ausgebildet. Was sie letztendlich den Schülern erzählen sollen, ist aber noch nirgends festgeschrieben. Da ist es kein Wunder, dass sich die meisten Schulen bei der Erstellung ihres autonomen Ethik-Lehrplanes am katholischen oder evangelischen Beispiel orientieren. Was wiederum Zweifel über die Religionsneutralität dieses Fachs aufkommen lässt.

Ob und wann es zu einer flächendeckenden Einführung des Ethik-Faches an Österreichs Schulen kommen wird, muss daher in letzter Konsequenz die Politik entscheiden. Diese ziert sich - und fürchtet die zusätzlichen Kosten. Da hilft es auch nichts, dass die Koalition den Ethik-Unterricht in ihr Regierungsprogramm aufgenommen hat.

Siehe auch:Ethik büffeln statt Spazierengehen