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Ethikunterricht ein alter Hut?

Von Barbara Ottawa

Politik

Religion ist für einige Schüler ein Fach, das schnell zur Freistunde mutiert. Der Schulversuch "Ethik" soll nun dazu beitragen, dass auch Kinder, die ohne Bekenntnis sind, oder solche, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben, über ethische Werte informiert werden. Eine Studie des Unterrichtsministeriums belegt, dass das neue Fach den Besuch des konfessionellen Religionsunterrichts nicht beeinträchtigt. Auch in kirchlichen Kreisen sieht man den Ethikunterricht eher positiv, doch die große Bedeutung eines konfessionellen Religionsunterrichts wird hervorgehoben. Die Diskussion selbst ist nicht neu, schon vor mehr als 100 Jahren wurden ähnliche Fragen und Kritikpunkte aufgeworfen.


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Friedrich Wilhelm Foerster (1869 bis 1966) war Ethiker, Pädagoge und Politiker. In einer nun veröffentlichten Diplomarbeit (siehe Kasten "Buchtipp") beleuchtet Maria Hoschek das Leben Foersters auf Grundlage neuer Quellen.

Das Buch beschäftigt sich mit Foersters Beziehung zu Österreich von seiner Kindheit bis zur Lehrtätigkeit an der Universität Wien und seinen Friedensbemühungen im Ersten Weltkrieg. Neben diversen politischen und wissenschaftlichen Schwerpunkten, beleuchtet die Diplomarbeit ein besonderes Phänomen: Foersters "Bekehrung" von der autonomen Ethik zu einem überkonfessionellen pädagogischen Denkansatz.

Foerster, der Generalsekretär des Ethischen Bundes in Zürich war, hatte selbst jahrelang ethischen Unterricht durchgeführt. Im Jahr 1904 erschien sein Buch "Jugendlehre", eine Art Handbuch für den ethischen Unterricht. Doch sehr bald musste er feststellen, dass eine rein ethische Erziehung, ohne religiösen Hintergrund seiner Ansicht nach unzulänglich war. Auch für ihn selbst überraschend wandte er sich immer mehr dem Christentum zu und trat schließlich auch als Präsident des Ethischen Bundes zurück. Er suchte nach einem Mittelweg zwischen autonomer Ethik und der Kirche.

Den katholischen Religionslehrern legte er jedoch nahe, die ethische Bewegung nicht einfach so abzutun. Er selbst sah sich weder als Katholik noch als Protestant, denn er konnte sich mit beiden Ausformungen des Christentums nicht hundertprozentig identifizieren.

Religion gegen Ethik oder gehören sie zusammen

Heute ist die Diskussion ähnlich: Ist konfessioneller Religionsunterricht noch zeitgemäß oder muss eine wertefreie Erziehung gegeben sein?

In Österreich wird zur Zeit an über 90 Schulen Ethikunterricht als Schulversuch geführt. Er ist für jene SchülerInnen gedacht, die "ohne Bekenntnis" sind oder sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben. Von den Schülerinnen und Schülern werde der Ethikunterricht gut angenommen.

Laut einer Studie, die vom Bildungsministerium in Auftrag gegeben wurde, beeinträchtigt der Ethikunterricht "den Besuch des Religionsunterrichtes nicht". Das Ministerium spricht sich deshalb für eine Weiterführung des Schulversuchs aus, eine flächendeckende Umsetzung des Projekts werde es jedoch nicht geben, wie Gehrer bei einer Pressekonferenz feststellte. Die Kosten dafür seien zu hoch.

Die katholische Kirche sieht den Ethikunterricht durchaus positiv, er könne jedoch den konfessionellen Religionsunterricht nicht ersetzen, wie Christine Mann, Schulamts-Leiterin der Erzdiözese Wien, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betont.

"Es gibt keine Religion ohne Ethik, aber es gibt verschiedene Standpunkte", formuliert Mann. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hätten sich geändert und für viele Kinder ohne Bekenntnis sei eine "systematische ethische Reflexion" wichtig. Konfessionellen Religionsunterricht könnte der Ethikunterricht allerdings nicht ersetzen.

Zunächst müsse man die eigenen Werte kennen lernen, damit man sich für das Andere öffnen könne. "Religion ist wie Obst. Obst kann man nicht essen, nur einen Apfel oder eine Birne", vergleicht Mann. Ein weltanschaulich neutraler Staat, der Toleranz vermitteln möchte tue gut daran, den konfessionellen Religionsunterricht zu fördern.

Kinder die einen Religionsunterricht besuchen sollten nicht zusätzlich auch den Ethikunterricht besuchen, so Mann. Der Religionsunterricht befasse sich mit Ethik, sowie mit anderen Religionen und Weltanschauungen. "Allerdings werden die Maßstäbe christlichen Glaubens angelegt."

Mann ist auch beim "Verein der Freunde des römisch-katholischen Religionsunterrichtes in der Erzdiözese Wien" tätig. Der Verein wurde letztes Jahr gegründet und wirbt für den Religionsunterricht. Mit Plakaten und Informationsbroschüren sollen Schülerinnen und Schüler auf den Religionsunterricht aufmerksam gemacht werden. "Reli4life" und "cu@reli" sind nur zwei der Mottos mit denen für den Religionsunterricht geworben wird. "Aus dem Stand hatten wir 500 Mitglieder", erzählt Mann.

Die allgemeine Behauptung, dass sich die meisten Kinder, vom Religionsunterricht abmelden, kann Mann nicht bestätigen. "Von allen Kindern und Jugendlichen sind nur fünf Prozent abgemeldet", berichtet sie der "Wiener Zeitung". "Stellen Sie sich vor man würde es freistellen, sich vom Mathematik abzumelden, wie viele Kinder dann noch bleiben würden".

http://members.nextra.at/reli4life