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Ethno-Marketing boomt

Von Christina Aumayr

Politik
Fremdsprachige Werbungen sind erst der Anfang des zunehmenden Ethno-Marketing-Trends. Foto: WZ

Unternehmen beginnen mittlerweile Migranten als Kunden zu entdecken. | Dafür müssen sie aber wissen, wie ihre neue Zielgruppe tickt. | Wien. Verfügen Sie über Marketing-Kenntnisse, fühlen sich hierzulande heimisch und sprechen neben Deutsch auch noch Serbisch, Kroatisch oder Türkisch? Wenn ja, sind Sie heiß begehrt! So könnte eine Annonce für "Ethno-Marketer" lauten, denn diese werden von Unternehmen und Agenturen derzeit fieberhaft gesucht.


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Es scheint, als müsste aufgeholt werden, was jahrelang verschlafen wurde: die zielgruppengerechte Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund. Von der Politik noch immer überwiegend als Problemzielgruppe diffamiert, definieren Firmen heute Menschen mit Migrationshintergrund zunehmend als neue Zielgruppe, um die geworben wird.

Im Fokus von Werbewirtschaft und Unternehmen stehen damit jene 17 Prozent der Gesamtbevölkerung, die selbst oder deren beide Elternteile im Ausland geboren wurden - also die erste und zweite Migranten-Generation. Gerade diese zweite Generation hört aber viel lieber die Bezeichnung neue Österreicher.

Höchste Zeit also, diese Menschen in Kommunikation und Werbung zu berücksichtigen. Aber wie? Immerhin handelt es sich dabei um keine homogene Gruppe, sondern um viele in sich ausdifferenzierte Gruppen mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen, Lebensstilen und Interessen. Auf diese Herausforderung reagieren Firmen etwa damit, dass sie sich durch das Einstellen von Migranten jenen kulturellen Hintergrund einkaufen, den es braucht, um fremde Lebenswelten zu erschließen. Denn welches Lebensgefühl in der Community der unter-25-jährigen Ex-Jugoslawen vorherrscht, kann nur berichten, wer selbst Teil der Community ist.

"Was mit Sicherheit nicht funktioniert, ist wenn Werber Migranten als Migranten abhandeln, ohne sich wirklich für uns zu interessieren", meint die Chefredakteurin des Stadtmagazins "biber"

Ivana Cucujkic. "Mit diesen politischen Begriffen können wir genau so wenig anfangen wie mit klischeehaften Wortspenden. Wir leben in Wien und wollen auch als Wiener angesprochen werden." Auch mit plumpen Eins-zu-eins-Übersetzungen von Werbebotschaften ist es nicht getan. Spricht doch die zweite Migranten-Generation wesentlich besser Deutsch als etwa Serbokroatisch oder Türkisch.

Eine weitere Schwierigkeit am Unterfangen Ethno-Marketing ist, dass es wenig Daten darüber gibt, wie die neuen Österreicher ticken. Angaben über Einstellungen, Motive und Werte sind derzeit noch Mangelware. Zumindest, dass diese Zielgruppe der Werbung etwas abgewinnen kann, darf als gesichert gelten. So geht aus einer Studie, die im Auftrag vom "biber" von Peter Hajek durchgeführt wurde, hervor, dass die zweite Generation eine offenere Haltung gegenüber Werbung hat und sich generell markenbewusster als der Österreich-Durchschnitt gibt. Man steht stärker dazu, dass Geld im Leben eine wichtige Rolle spielt, gerne ausgegeben wird, und dass es wichtig ist, was Freunde von einem denken.

"In unserer Communitiy ist es extrem wichtig zu zeigen, dass man eine erfolgreiche Familie ist. Über materiellen Status ist das auf einfache und bequeme Weise herzustellen", meint etwa Ivana Cucujkic. Wobei sie ergänzt, dass der Faktor Bildung stark im Aufwind ist. Trotz ausgeprägter Werbe- und Markenaffinität sind Beispiele für gelungenes Ethno-Marketing derzeit noch Mangelware, aber es gibt sie.

Zu wenig Geld für die Heirat?

Türkische Hochzeiten sind kostenintensiv, denn bis zu tausend Hochzeitsgäste sind keine Seltenheit. Eine österreichische Bank hat sich dazu etwas überlegt und vergibt nun Hochzeitskredite von bis zu 25.000 Euro. Teil der Gästeschar ist dann auch eine Kundenberaterin der betreffenden Bank, die vor Ort auf Deutsch oder Türkisch die werten Festgäste über die Vorzüge dieses Kredits informiert. Gibt es doch bei Kreditabschluss noch Sonderkonditionen bei ausgesuchten Juwelieren, Friseuren oder Hochzeitssälen mit dazu. Da sagt man doch gerne: Ja, ich will!

Es handelt sich zwar nicht gerade um ein Uni-Stipendium, aber es ist gut gemacht und auf die Zielgruppe abgestimmt. Zu sehen ist ein junges türkisches Brautpaar, die schöne Braut trägt das für Jungfräulichkeit stehende rote Hüftband.

Werber nehmen die neuen Österreicher zwar zunehmend in den Fokus ihrer Kampagnen, dennoch erscheint der Hype um Ethno-Marketing derzeit als aufgeblasen. Worum geht es wirklich? Darum, Produkte und Leistungen speziell für Menschen mit Migrationshintergrund zu bewerben - ob in Form neuer Produkte oder in Form von Adaptierungen bestehender Kampagnen.

So wie andere werberelevante Zielgruppen auch, wollen diese Menschen in ihrer Lebenswelt abgeholt werden und das Gefühl haben: Ah, die wissen, was wir wollen! Wobei sich hier vor allem die Gruppe der 18- bis 28-Jährigen als die werberelevante Zielgruppe der nächsten Jahre ausmachen lässt.

Ohne das Wissen darüber, wie die zu bewerbende Community tickt, um ein vorherrschendes Lebensgefühl widerzuspiegeln, wird es nicht gehen. Die Werbung tut daher gut daran, sich mit den neuen Österreichern zu beschäftigen. Diese Menschen sind in unserer Gesellschaft angekommen, aber weiß dass auch schon die Gesellschaft?