Großbritannien überlegt Vermerk auf Geburtsurkunde. | Wie schwer wiegt das Recht auf Wissen seiner Herkunft? | Schweigen der Eltern umgehen. | London/Wien. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Der Satz, den manche Eltern gegenüber ihren Kinder strapazieren, ist das Motto des Parlaments in London - gegenüber den Eltern.
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Denn eine Gruppe britischer Abgeordneter hat Anfang August die Empfehlung abgegeben, künftig auf der Geburtsurkunde einen Vermerk zu haben, ob das Baby das tatsächliche Kind seiner Eltern ist, oder ob es Frucht einer Samensspende oder eines fremden Eis ist. Weder die Lords noch das Unterhaus scheinen den Eltern zu vertrauen, dass sie irgendwann zur Beichte schreiten - und ihrem Kind erzählen, dass es eine andere biologische Abstammung hat, als bisher angenommen.
Und während es bei Adoptionen - wenn auch nicht immer, so doch meistens - vorkommt, dass die Eltern ihr Kind eines Tages freiwillig aufklären, scheint das im Falle einer Samen- oder Eispende ungleich unwahrscheinlicher.
Die theoretische Möglichkeit, den biologischen Elternteil kennen zu lernen gibt es in Großbritannien seit 2005: Ein Register wurde aufgesetzt, in das Kinder, einmal 18 geworden, Einsicht nehmen können.
Viele der betroffenen Eltern haben sich seitdem entschieden, daß jetzt, wo das Kind seinen Ursprung ausfindig machen könnte, sie ihrem Kind niemals von dem Umstand seines Entstehens erzählen werden. Ein Entschluss, den der britische Ausschuss nun umgehen möchte: Mit dem Vermerk könnten Eltern das - für die Abgeordneten fundamentale Recht auf Wissen der Herkunft - nicht länger verschweigen
Gegner des Vorschlags argumentieren allerdings, dass das Spenden von Spermien und Eiern bestenfalls mit einer Blutspende denn einer Adoption vergleichbar ist und daher nicht unbedingt erzählt werden müsse.
In Österreich haben Kinder Einsichtsrecht
In Österreich wird sogar schon seit 1992 ein anonymes Register der Samenspenden geführt (Eispenden sind hier verboten). "In das dürfen weder die Mutter noch der Spender Einsicht nehmen", erklärt Christina Rigger von der Welser Kinderwunschklinik. Das Kind darf allerdings schon - wenn es 14 Jahre alt ist und das Bedürfnis hat, seinen biologischen Vater kennen zu lernen. Ein Wunsch, der nur existieren kann, wenn das Kind über seine Ursprünge aufgeklärt worden ist. Ob dies der Fall ist, überlässt der Staat dem Urteil und der Sensibilität der erziehenden Eltern: Ein Vermerk auf der Geburtsurkunde oder im Geburtenbuch steht in Österreich bisher nicht zur Diskussion.
Die Wiener Juristin Maria Kletecka-Pulker sieht den britische Vorstoß auch als "bedenklich" an. Denn: "es gibt auch ein Recht auf Nichtwissen", erläutert die Geschäftsführerin des Wiener Instituts für Ethik und Recht in der Medizin; von Juristen wird das aus dem Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention abgeleitet, dem Recht auf Privatleben - "das kann man dem Kind doch nicht nehmen." Davon abgesehen würde sich die Datenschutzproblematik genauso stellen, wie auch eine eventuelle spätere Diskriminierung des so gezeugten Kindes. "Der Mehrnutzen eines solchen Vermerks ist mir nicht klar", meint Kletecka-Pulker: Noch dazu, wo es genug Geburten gibt, bei denen die Mutter gar nicht bekannt geben muss, wer der Vater ist.
Und auch bei einer Geburt innerhalb der Ehe gibt es zwar die juristische Annahme, dass der Ehemann der Vater ist - doch Studien gehen davon aus, dass selbst bei natürlichen Vaterschaften jedes dritte Kind nicht von dem Vater ist, den das Kind oder die Gesellschaft als diesen annimmt.
In der Kinderwunschklinik reagiert man jedenfalls auf die Frage einer Verpflichtung zur Aufklärung skeptisch: "Fragen Sie mich was Leichteres. Oder würden Sie es tun?"
WissenSamenspende
Die Samenspende ist in Österreich nur bei Paaren erlaubt. Es wird unterschieden zwischen Eigenspende (vom Partner), und Fremdspende (von der Samenbank). Das Ei darf im Falle der Fremdspende nur durch Insemination (innerhalb des Körpers der Frau) befruchtet werden, bei der Eigenspende ist auch In-Vitro-Fertilisation möglich.