Ab Mitte März sind mehr Personen als sonst gestorben. Eine höhere Dunkelziffer an Covid-Toten ist möglich, doch es fehlen noch Daten.
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Der 12. März war jener Tag, an dem erstmals ein Mensch in Österreich an der neuen Erkrankung Covid-19 starb. Es war ein 69-jähriger Wiener, der im Urlaub in Italien erkrankt war. Zwei Stunden nach der Vorab-Meldung gab der behandelnde Mediziner Christoph Wenisch in einer Pressekonferenz Auskunft über Verlauf und Hintergründe des tragischen Todes, vier Tage später starben dann zwei weitere Personen in der Steiermark.
Heute sind die Zahlen, aber auch die Reaktionen gänzlich andere. Bis Montagfrüh hatten die Bundesländer insgesamt 470 an Covid gestorbene Personen gemeldet, um 18 mehr als einen Tag zuvor. Das Positive: Es geht wieder zurück, vor Wochen waren noch pro Tag bis zu 30 Personen an der vom Coronavirus ausgelösten Krankheit gestorben - offiziell. Und das ist ein wichtiger Zusatz.
Anstieg um 16 Prozent
Die Statistik Austria registrierte nämlich ab Mitte März, genauer ab der Kalenderwoche 12 eine statistisch auffällige Zunahme von Gestorbenen. In jener Woche betraf dies in Österreich 1826 Personen, wobei ein kleiner Teil davon auf einer Schätzung beruht. Nicht alle Toten werden immer sofort gefunden oder direkt gemeldet, auf Basis von Erfahrungen wurde daher die Zahl von 1826 für die Woche ab 16. März ermittelt. Im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen vier Jahre ergibt sich für diese Woche eine Zunahme der Sterbefälle um 16 Prozent. Am Ende dieser zwölften Kalenderwoche hatte es aber gerade erst einmal 16 bestätigte Covid-Tote gegeben.
Der Rückschluss, dass es in jener Woche somit mehr als 200 unentdeckte Corona-Tote gegeben haben könnte, ist aber nicht zulässig. Die Statistikbehörde arbeitet gerade erst die Todesursachen dieses Jahres auf, die von einem Arzt bei der Totenbeschau festgestellt und handschriftlich dokumentiert werden. Das wird noch einige Wochen in Anspruch nehmen. Und selbst dann wird in etlichen Fällen die genaue Ursache nicht zu identifizieren sein, da es keine flächendeckenden Obduktionen gibt und auch keine postmortalen Computertomographien der Lunge, mit denen Covid vermutlich in den meisten Fällen nachgewiesen werden könnte.
Auch in den letzten beiden Märzwochen registrierten die Statistiker eine Zunahme im Vergleich zu den vergangenen vier Jahren um 7,6 bzw. 13,1 Prozent. Nimmt man die vergangenen zehn Jahre als Vergleich, sieht es ähnlich aus, der Zuwachs liegt sogar dann etwas darüber. Und ein Blick auf diese drei Kalenderwochen ab Mitte März zeigt auch, dass es Spitzenwerte sind im Zehn-Jahres-Vergleich. Nur die 13. Woche wurde einmal, nämlich 2018, knapp übertroffen mit damals 1766 Toten, allerdings waren die Zahlen in den Wochen davor und danach deutlich geringer.
Die Daten der Statistik Austria sind also schon ein Hinweis, dass es sich nicht nur um einen statistischen Ausreißer handelt, sondern derzeit doch etwas mehr gestorben wird in Österreich. Zumal es in den Wochen davor keine solche Abweichung gab. Eine signifikante Übersterblichkeit, wie sie vom Netzwerk Euro-Momo für etliche Staaten in Europa ausgewiesen wird, darunter vor allem für Spanien, Italien, Frankreich, Belgien, aber auch für Schweden, Holland und Großbritannien, liegt in Österreich aber nicht vor. Die Frage ist aber, woran diese Menschen gestorben sind? Die Zahlen der offiziellen Covid-Toten in diesen drei Wochen lagen jedenfalls deutlich darunter.
Eine mögliche Ursache könnte die heuer sehr ungewöhnlich lange Grippewelle sein, wobei Alexander Wisbauer von der Statistik Austria skeptisch ist, dass sich dies auch in den Zahlen bis Anfang April niederschlägt. Für unentdeckte Covid-Fälle spricht die regionale Verteilung, so hat es in Tirol und der Steiermark eine sehr deutliche Zunahme gegeben, die auch nach offizieller Zählart bei den Covid-Sterbefällen ganz vorne liegen. Andererseits verzeichnet Vorarlberg pro Kopf wenige Covid-Tote, dafür einen hohen Anstieg der Sterbefälle insgesamt (+42 Prozent).
Deutliche Übersterblichkeit in Bergamo
In der stark vom Virus betroffenen italienischen Provinz Bergamo war eine Monatsstatistik für März erstellt worden, dort hatte die Epidemie früher begonnen. In jenem Monat waren 5400 Tote in der gesamten Provinz mit ihren 1,1 Millionen Einwohnern zu betrauern, obwohl nur knapp 2000 offizielle Covid-Fälle darunter waren. Im März 2019 waren nur 900 Personen in Bergamo verstorben.
Von solchen dramatischen Zahlen ist man in Österreich weit entfernt, dennoch ist eine genaue Betrachtung der Sterbefälle und der Todesursachen wichtig für die Bewertung, vor allem dann, wenn sich herausstellen sollte, dass mehr Personen an anderen Ursachen als an Covid sterben. Dazu gibt es bisher nur Vermutungen und Befürchtungen.
So glauben Kardiologen, dass der Rückgang von Herzinfarktpatienten um 40 Prozent darauf hindeutet, dass viele Betroffene aus Angst sich anzustecken die Spitäler meiden. Unbehandelt sind Herzinfarkte jedoch deutlich öfter tödlich. In einer Publikation haben österreichische Kardiologen für den März eine höhere Zahl von nur deshalb gestorbenen Infarkt-Patienten errechnet, weil sie unbehandelt blieben, als in diesem Zeitraum an Covid gestorben sind.
Auch solche möglichen unerwünschten Nebenwirkungen des Fokus auf Covid sind für die weiteren Monate zu beachten.