EU-Agrarreform bringt im Entwurf Problem für Nebenerwerbslandwirte.
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"Wiener Zeitung":Frau Köstinger, Sie werden für die Europäische Volkspartei Berichterstatterin im EU-Parlament für die ländliche Entwicklung sein. Das ist ein wichtiger Teil der EU-Agrarreform. Worauf müssen sich die Bauern einstellen?Köstinger: Es gibt einen Vorschlag des zuständigen EU-Kommissars mit 1600 Seiten. Alles ist nun Verhandlungssache. Aber eines ist sehr realistisch, nämlich die bereits diskutierte Obergrenze für die Agrarförderungen von 300.000 Euro pro Betrieb. In Österreich betrifft das 17 Betriebe, in anderen EU-Ländern deutlich mehr.
Wird es künftig weniger Geld für die Bauern aus dem EU-Topf geben?
Wenn es weniger Geld gibt, gibt es auch weniger Leistung. Das muss allen klar sein. Österreich ist in der Landwirtschaft in vielen Bereichen beispielgebend, mit 30 Prozent Biolandbau sind wir relativ gesehen Weltmeister. Nun sollen grüne Maßnahmen kommen, die es in Österreich schon gibt. Daraus darf kein Wettbewerbsnachteil entstehen.
Wenn Österreich Vorreiter ist,
sollte das doch ein Vorteil sein, oder?
Ja, aber die ökologischen Maßnahmen werden in Österreich in der sogenannten zweiten Säule gefördert. Das wird nicht mehr möglich sein. Bei den Direktzahlungen wird sich für Österreichs Bauern wenig ändern.
Wo könnte es noch Probleme für die Bauern geben?
Es gibt im Vorschlag eine Formulierung, dass nur noch aktive Landwirte Förderung erhalten. Nebenerwerbsbauern wären nicht enthalten, die stellen aber in Westösterreich 90 Prozent der Betriebe. Das muss und wird sicher auch bereinigt werden. Eines darf nicht vergessen werden, bisher sind alles Vorschläge. Der Weg zum endgültigen Verhandlungsergebnis wird noch weit sein.
Und wie werden die im EU-Sprech "Greening" genannten Öko-Maßnahmen aussehen?
Es geht um Dauergrünland, Fruchtfolge und Flächenstilllegung. Österreich ist da jetzt schon vorbildlich. Wenn diese Förderung neu organisiert wird, müssen wir aufpassen, damit nicht neue bürokratische Monster zu erschaffen. Es geht auch darum, wie die nationalen Staaten ihre Förderinstrumente für die Landwirtschaft zurechtschneidern.
Die EU-Kommission bemüht sich, alle Fördertöpfe so zu organisieren, dass sie möglichst hohe Investitionen auslösen. Wird dies die ländliche Entwicklung, die bis 2020 mit 90 Milliarden Euro dotiert sein wird, beeinflussen?
Ja, denn es gibt erstmals - vereinfacht gesprochen - eine Dachverordnung. Wenn es zum Beispiel bei den Sozialfonds keine Einigung gibt, fließt auch kein Geld aus der ländlichen Entwicklung. Das bietet Spielraum für politische Manöver auf nationaler Ebene. Ich bin daher für eine klare europäische Lösung, die wenig Interpretation zulässt.
Ein Ziel der Agrarpolitik ist auch die Versorgungssicherheit mit landwirtschaftlichen Produkten auf nationaler Ebene. Nun bemüht sich Europa um stärkeren Zusammenhalt, wie den Ausbau des Binnenmarktes. Sind solche nationalen Selbstversorgungsziele nicht anachronistisch?
Natürlich kann Milch in anderen Gebieten kostengünstiger produziert werden als bei uns im Bergland. Aber das hängt mit der Viehwirtschaft zusammen, und nur mit Viehwirtschaft kann in vielen Regionen das Land offen gehalten werden. Reine Effizienzüberlegungen scheiden aus. Zudem gibt es ein hohes Regionalbewusstsein der Konsumenten.
Aber die Lebensmittelindustrie konzentriert sich länderübergreifend immer stärker ...
Die Verarbeitung dürfen wir nicht hergeben, da hängen viele Arbeitsplätze dran. Die Bauern müssen künftig aber die Potenziale ihrer jeweiligen Region ausloten und nutzen.