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EU an das Gas-Schicksal der Ukraine gekoppelt

Von Konstanze Walther

Europaarchiv

Boltz: Ukraine wird nicht tolerieren, dass das Gas an ihnen vorbeiströmt. | Russischer Botschafter fordert EU-Kredit für Kiew. | Wien. "Es ist euer Gas, dass die Ukrainer gestohlen haben!" Der russische Botschafter in Wien, Stanislaw Ossadtschij, steht erwartungsgemäß hinter der Moskauer Linie im Gas-Streit und sieht die Schuld ausschließlich bei der Ukraine. Auch, dass die versprochene Gaslieferung vom Dienstag nicht angekommen ist liegt in der Lesart von Moskau allein an der physischen Blockade von Kiew.


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Denn:"Wir sind jederzeit bereit zu liefern." Am Mittwoch habe man einen "zweiten Versuch" des Transports, der gleichen Liefermenge Gas für Westeuropa wie am Vortag, durch die Ukraine unternommen. Tags zuvor wurde der Gashahn von Russland allerdings nach vier Stunden wieder zugedreht - nachdem es nicht an der westeuropäischen Grenze angekommen ist. Zudem liefere Russland "nur soviel Gas, wie die EU braucht" - also diesmal exklusive dem Gas für die Ukraine. Der Diplomat räumt aber ein, dass die 76,6 Kubikmeter pro Tag wohl zu wenig sein, um den nötigen Druck zu erzeugen.

Der Chef der E-Control, Walter Boltz, sieht darin auf beiden Seiten einen Mangel an "gutem Willen". Jenes Gas, das in der Zeit des Stillstandes in den Leitungen war und für den Druck gesorgt hat, ist wohl zu Teilen von der Ukraine entnommen worden - dass Russland daran geglaubt habe, die Leitungen sofort in Vollbetrieb nehmen zu können, sei "unrealistisch". "Eine ehrliche Beurteilung des Leitungsnetzes kann es erst 48 Stunden nach Einspeisung des Gases geben."

Das Problem sitzt allerdings tiefer. Die EU hat lange Zeit versucht, den russischen Gasfluss wieder nach Westeuropa zu lenken und die Versorgung der EU-Bürger von dem russisch-ukrainischen Streit zu entkoppeln. "Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass das Gas wieder zu uns fließt, bevor nicht dieses Grundsatzproblem gelöst ist", meint Boltz. "Die Ukrainer werden nicht dabei zusehen, dass das Gas an ihnen vorbeiströmt, während die eigenen Leute frieren."

Das bedeutet allerdings, dass Russland auch die Ukraine nicht nur als Transitland verwendet, sondern auch wieder mit Gas beliefert. Und sich die beiden Länder endgültig über Gaspreis, Verzugszinsen und Transitkosten einigen müssen. Schwierig, in Zeiten, in denen das Gesprächsklima zwischen den beiden den frostigen Temperaturen im Freien gleicht (Kiew und Moskau in der Nacht aktuell bei bis zu minus 5 Grad).

Finanzielle Hilfe nötig

Die Chancen der Ukrainer, finanzielle Hilfe zu bekommen, stehen daher gar nicht schlecht. Neben der Gewissheit, dass die EU wohl zu vielem bereit ist, um ihre Bürger weiterhin mit Gas zu versorgen, hat Kiew noch ein weiteres Ass im Ärmel. Der Internationale Währungsfonds hat dem Land schließlich zum Jahreswechsel einen Notkredit von 16,5 Mrd. Dollar bekommen, um die Landeswährung zu stabilisieren. Das Land ist von der Wirtschaftskrise besonders schwer getroffen worden. "Wenn in der Ukraine die Industrie ohne Gas ist, dann ist dieses Geld futsch. Die Industrie ist schließlich der wichtigste Devisenbringer", meint Boltz. "Ich glaube aber nicht, dass wir ihnen das Geld einfach schenken sollten."

Auch die Russen haben in der Zwischenzeit darüber nachgedacht: "Die EU ist bisher zu wenig aktiv gewesen", findet Botschafter Ossadtschij. Sein Vorschlag: Ein Kredit der EU an die Ukraine. Russland sei auch bereit, sich finanziell am Kredit zu beteiligen. "Wir haben nur ein Ziel", sagt Ossadtschij: "einen angemessenen Marktpreis von der Ukraine zu erhalten."

Die Ukraine beharre auf dem Preis des vergangenen Jahres von 179,5 Dollar je 1000 Kubikmeter. Russland könne dieser Forderung aber nicht nachkommen, weil auch seine Zuliefer-Länder wie Turkmenistan auf Marktpreisen bestünden. Russland sei zwar bereit, mit der Ukraine zu verhandeln, verlange aber von Kiew - nach der Ausschlagung des Angebots von 250 - aktuell wieder den "vollen Preis" von 450 Dollar."

Russland wird sich mit dem Westen arrangieren müssen, glaubt E-Control-Chef Boltz. "Es gibt keinen anderen zahlungskräftigen Käufer im Umkreis." Und solange die Northstream und Southstream-Pipelines von Russland noch nicht fertiggestellt sind, die die Ukraine umgehen sollen, wird ein Gutteil dieses Gases noch über die Ukraine gehen müssen.