Sarkozy: Medwedew Mann, "mit dem man reden kann". | Stillstand in der Georgien-Frage. | Nizza. Nicht zufällig hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy Nizza als Ort für den EU-Russlandgipfel am Freitag ausgesucht. Dort steht die größte russisch-orthodoxe Kirche außerhalb Russlands. Schon seit dem 19. Jahrhundert ist die Stadt an der Cote d´Azur bei wohlhabenden Russen beliebt.
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Und der Auftakt war ganz nach dem Geschmack des derzeitigen EU-Vorsitzenden. Kurzfristig war die Sonne durchgebrochen, Schaulustige jubelten ihm zu, er gab Autogramme. Doch nach dem Treffen mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew lächelte nur noch letzterer. Sarkozy und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso wirkten blass und angespannt - den EU-Spitzen dürfte bewusst geworden sein, wie dringend sie Russland brauchen. Und Realpolitik zehrt.
So kritisierte der Franzose im Namen der EU den US-Raketenschild in Osteuropa, wies Georgien überraschend deutlich die Schuld für den Krieg im August zu und will sich für einen Sondergipfel der OSZE einsetzen, der sich mit dem russischen Anliegen einer neuen "pan-europäischen Sicherheitsarchitektur" befassen soll. Medwedew dürfte dafür als Verbündeter beim Weltfinanzgipfel gewonnen worden sein. Hier gab es demonstrative Einigkeit über das weitere Vorgehen.
Und an sich scheinen sich der französische und der russische Präsident nicht so schlecht zu verstehen: Medwedew sei "ein Mann, mit dem man reden kann", sagte Sarkozy. "Wir brauchen keine neuen Konflikte, Spaltungen und Kriege." Es gebe ein gegenseitiges Interesse der EU und Russlands, miteinander zu arbeiten. Ihm sei nicht klar, wie man seine Anliegen vorbringen solle, wenn man nicht miteinander redet. So wurde der nächste Verhandlungstermin über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland laut Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner für den 2. Dezember festgelegt. Damit will die EU Moskau zu Energieversorgungssicherheit verpflichten.
Sarkozy nähert sich "Null-Lösung" an
"Absurd" wäre allerdings zu behaupten, dass es keine Meinungsverschiedenheiten gebe, so Sarkozy. So mache ihm die mögliche Stationierung von russischen Raketen in Kaliningrad Sorgen. Vor dem OSZE-Gipfel Mitte 2009 sollte "nicht mehr über die Verlegung von Raketen oder Raketenabwehrsysteme gesprochen" werden, sagte Sarkozy. Damit liegt er recht nahe an Medwedews "Null-Lösung" in der Raketenfrage: Ohne US-Raketenschild in Osteuropa werde es keine Raketen in Kaliningrad geben, lautet sie. Beim Nato-Gipfel in Straßburg im Dezember soll der Weg für das OSZE-Treffen geebnet werden. Dort könnte eine Basis für einen "pan-europäischen-Sicherheitsrahmen" gelegt werden, meinte Sarkozy. Die Zustimmung dafür wachse unter den europäischen Staats- und Regierungschefs, so Medwedew.
Weiter auf ihren Positionen eingegraben haben sich die Europäische Union und Russland in der Georgien-Frage. Doch die Schuld am Krieg wies Sarkozy ziemlich eindeutig den Georgiern zu: Er betonte ausdrücklich, dass alle 27 EU-Staaten einig waren, die "überzogene Reaktion" Moskaus in Georgien zu kritisieren. Diese Formulierung macht klar, dass auf etwas reagiert wurde. Diese Argumentation schließt aus, dass die Russen angefangen haben. Erst vor zwei Monaten hat der russische EU-Botschafter Wladimir Tschitzow eine ähnliche Wendung benutzt.