Unterschiedliche Auffassungen von Solidarität. | Zuständigkeiten sind klar - Standards aber unterschiedlich. | Schwierige Reform von Dublin, Eurodac. | Brüssel. Nicht nur in Österreich, auch auf europäischer Ebene wird heftig über das Asylthema diskutiert. Erst hätte die EU gerne 2010 ein gemeinsames Asylsystem gehabt. Derzeit liegt die offizielle Zielmarke beim Jahr 2012. Dass sie erreicht werden könnte, glaubt aber kaum jemand. | Asylchancen schwinden durch Dublin | 'Viele Menschen sind fassungslos'
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Denn von den sechs EU-Rechtsakten, die für das Gesamtkonzept zusammengefügt werden müssen, sind die Verhandlungen über zwei so aussichtslos, dass die derzeit der EU vorsitzenden Belgier sie vorerst in die Schublade gelegt haben. Dabei handelt es sich um die Richtlinien über die Standards bei den Asylverfahren und Rechte und Pflichten für Asylwerber.
Doch auch bei den von Belgien vorrangig in Angriff genommenen Projekten konnten die Minister unlängst nur feststellen, dass sich der EU-Vorsitz weiterhin bemühen solle, eine gemeinsame Position der Mitgliedsländer und des EU-Parlaments zu finden. Darunter befindet sich die sogenannte Dublin-Verordnung, die bestimmt, dass jenes Mitgliedsland für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist, in dem der Asylwerber erstmals EU-Boden betreten hat.
Angesichts der saisonalen Anstürme auf die Mitgliedsländer im Süden wie Malta und Italien sowie der menschenunwürdigen Lebensbedingungen in griechischen Anhaltelagern, hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, diese Regel flexibler auszulegen.
Österreich hält nichts von Selbsteintrittsrecht
Bei Überlastung der Eintrittsländer sollten die Rückführungen ausgesetzt werden. Davon hält Österreich freilich nichts. Schon vom sogenannten Selbsteintrittsrecht, das die bestehende Verordnung einräumt, will das Land nach wiederholten Aussagen von Innenministerin Maria Fekter keinen Gebrauch machen (siehe Artikel unten).
Menschen, die nach österreichischen Maßstäben als schutzwürdig betrachtet werden, schicken die Behörden in EU-Staaten wie Polen oder die Slowakei zurück, wo völlig andere Kriterien für die Anerkennung von Asyl oder Abschiebeschutz herrschen. So erhalten etwa Tschetschenen in Österreich zu zwei Drittel Flüchtlingsstatus, in der benachbarten Slowakei dagegen gar nicht.
Das offenbart das Grundproblem im Verhandlungsverlauf zum gemeinsamen Asylsystem, die Fortschritte in den zugrunde liegenden EU-Rechtsakten laufen asymmetrisch. So sind die Zuständigkeiten für die Asylverfahren zwar bereits in der Dublin-Verordnung geklärt. Gemeinsame Standards für die Anerkennung der Schutzwürdigkeit existieren dagegen noch keine.
Solidarität ja, aberkeine neuen Regeln
Die bisherige Richtlinie für die Aufnahmebedingungen legt bloß Grundstandards fest, die den Mitgliedstaaten einen weiten Interpretationsspielraum lassen.
Aber Solidarität mit den Ländern mit dem größten Asylwerberdruck soll es natürlich schon geben, betonen Diplomaten zentral gelegener EU-Staaten. Doch sollen dafür nicht die Dublin-Regeln angetastet werden. Vielmehr ist "praktische Zusammenarbeit" seit ein paar Monaten das neue Schlagwort. "Die Länder in Randlage sollen sich ihre Asylwerber behalten, wir schicken ihnen ein paar Experten zur Unterstützung in Spitzenzeiten und Zelte", heißt das einfach zusammengefasst.
Offen bleibt auch die Reform der sogenannten Eurodac-Verordnung. Die gleichnamige Datenbank ist das Rückgrat für die Anwendung von Dublin. Denn in die Eurodac-Datenbank müssen Ersteintrittsländer die Asylwerber per Fingerabdruck registrieren. Ist ein Neuankömmling einmal eingetragen, wird er von überallhin in der EU wieder dorthin zurückgeschickt, wo er zuerst EU-Boden betreten hat - im schlimmsten Fall nach Griechenland, weniger oft nach Italien, das angeblich nicht sehr fleißig Fingerabdrücke nimmt. Doch die ausschließliche Nutzung der Datenbank für die Asylverfahren reicht der EU-Kommission nicht. Sie will die Informationen künftig auch für die Strafverfolgung nutzen, was skandinavischen Ländern und dem EU-Parlament gar nicht gefällt. Jetzt feilen die Beamten von Innenkommissarin Cecilia Malmström erst einmal ein einer ganz neuen Vorlage.
Zarte Fortschrittenur bei Gleichstellung
Zarte Fortschritte gibt es lediglich bei der weitgehenden Gleichstellung von langfristig in der EU aufhältigen Personen aus Nicht-EU-Ländern mit EU-Bürgern, worüber es in den nächsten Monaten eine Einigung geben könnte.
Und Ende November nimmt das Asyl-Unterstützungsbüro in Malta seine Tätigkeit auf. Dieses soll zumindest unverbindliche Gefahrenanalysen über die Herkunftsländer ausarbeiten, um den EU-Staaten bei einer ähnlicheren Beurteilung der Schutzwürdigkeit von Asylwerbern zu helfen.
Am Ende könne das gemeinsame EU-Asylsystem aber nur in Betrieb gehen, wenn Einigkeit über die Ausformung aller entsprechenden EU-Rechtsakte besteht, erinnern Experten. Niemand wagt aber abzuschätzen, wann es soweit sein könnte.