"Nicht sehr optimistisch" bezüglich der künftigen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) in der Europäischen Union zeigt sich der prominente französische EU-Abg. Michel Rocard im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Als die Balkan-Kriege ausbrachen, sei "Europa abwesend" gewesen. Hart ins Gericht geht Rocard auch mit dem außenpolitischen Verhalten der Union in Tschetschenien, im Nahen Osten und in Afrika. An der Außenpolitik Frankreichs, das er von 1988 bis 1991 regierte, übt er ebenfalls Kritik. Und mit einem Seitenhieb auf Großbritannien und einem Verweis auf die uneinheitliche Haltung Europas zum Irak-Krieg unterstreicht Rocard, dass es lange Jahre gar kein Interesse an einer gemeinsamen Außenpolitik gegeben hätte. Erst beim Zustandekommen des Fahrplans zur Befriedung des Nahen Osten habe die EU sich wesentlich einbringen können.
Der sozialdemokratische EU-Parlamentarier ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in dem von den österreichischen Abgeordneten Hannes Swoboda (SPÖ-Delegationsleiter) und Ursula Stenzel (ÖVP-Delegationsleiterin) vertreten sind. Von den Ausschüssen, in denen ja die Hauptarbeit des Europäischen Parlaments erfolgt, besetzt Rocard als Vorsitzender zudem den Ausschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport.
Verfassungsentwurf des Konvents respektieren
Michel Rocard war französischer Premierminister unter Staatspräsident François Mitterrand, davor war er u.a. Landwirtschaftsminister und Regionalpolitiker. Er hielt sich anlässlich des 70. Geburtstages seines langjährigen Weggefährten Peter Jankowitsch, Ex-Außenminister, in Wien auf (siehe Bericht) - nicht ohne auch die positive Entwicklung der EU und des Reformkonvents zu kommentieren. Von diesem erwartet er keine große Revolution mehr. Von der Regierungskonferenz, die über den Entwurf des neuen EU-Vertrages endgültig zu befinden hat, fordert Rocard, "dass sie nicht alles ändert".
Mehr Kontinuität durch EU-Präsident
Den heftig debattierten Vorschlag, einen hauptamtlichen EU-Präsidenten zu installieren, unterstützt Rocard. Für ihn stellt sich nicht die Frage, ob der Präsident dann mehr oder weniger "stark" mit Kompetenzen ausgestattet sein wird. Sondern: "Was wir brauchen, ist mehr Kontinuität in der Führung der Europäischen Union."
Auf die Frage nach möglichen Konsequenzen nach dem Eklat um den Nazi-Vergleich von Neo-Ratspräsident Silvio Berlusconi im Europäischen Parlament meint Rocard nur, ganz Diplomat: "Berlusconi bewahrt seine Nerven nicht. Das wussten wir schon vorher."