Union würde Zölle im Agrarbereich um 60 Prozent senken. | EU und USA warten auf Zugeständnisse der Schwellenländer. | Genf/Brüssel. Bei den WTO-Verhandlungen in Genf geht es diese Woche ums Ganze. Zwar sind in den letzten sieben Jahren der sogenannten Doha-Runde alle Einigungsversuche der inzwischen 152 Mitgliedsstaaten schon im Ansatz gescheitert. Doch diesmal sind sich die Vertreter der rund 35 anwesenden Hauptakteure immerhin einig, dass es sich um die letzte Chance für einen Durchbruch für unbestimmte Zeit handelt.
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Gerade angesichts der schwierigen Lage der Weltwirtschaft wäre eine weitere Liberalisierung des Welthandels willkommen: Von 50 bis zu mehreren hundert Mrd. US-Dollar (mindestens 31,6 Mrd. Euro) pro Jahr zusätzlich für die gemeinsame Wirtschaftsleistung aller WTO-Länder reichen die Schätzungen je nach Ergebnis der Verhandlungen. Für Deutschland geht es etwa um weniger Barrieren für die Automobilexporte, wovon auch Österreichs starke Zulieferbranche profitieren würde.
Angebot nachgebessert
Im Kern wird von der EU und den USA eine drastische Reduktion ihrer Subventionen und Importzölle für Agrarprodukte verlangt. Die großen Schwellenländer wie Brasilien, Indien oder auch China müssten im Gegenzug ihre Zölle für Industriegüter aus dem Norden herunterfahren. Handelskommissar Peter Mandelson, der die Verhandlungen für die EU führt, kündigte am Montag an, die Agrarzölle der Union um 60 Prozent reduzieren zu können. Bisher lag das Angebot lediglich bei 54 Prozent.
Zusätzlich ist eine Reduktion der handelsverzerrenden Hilfszahlungen für die Landwirtschaft um 70 Prozent im Gespräch. Bis 2013 sollen darüber hinaus die Exportförderungen für Agrarprodukte völlig auslaufen - wenn die anderen Industrieländer mitziehen, wie Experten präzisieren. Die Schwellenländer fordern eine Absenkung der Stützungszahlungen für die Landwirte um 75 bis 85 Prozent, was das Mandat Mandelsons jedoch überstrapazieren dürfte.
Bei einem Sondertreffen der EU-Handelsminister im Vorfeld der Genfer Verhandlungen wurde von dem britischen Kommissar nachdrücklich die Einhaltung der roten Linien der Union gefordert. Diese verlaufen nach Brüsseler Lesart im Wesentlichen entlang der Reform der gemeinsamen EU-Agrarpolitik von 2003. Damals seien die meisten Subventionen von der Produktion entkoppelt worden, wie das die Regeln der WTO verlangen. Vor allem die Betriebsprämien seien daher nicht als handelsverzerrend zu werten, meinen EU-Diplomaten. Die 70 Prozent seien somit lediglich von einem Bruchteil des jährlichen Agrarbudgets von rund 50 Mrd. Euro pro Jahr zu berechnen.
Zugeständnisse der USA
Auch die USA sollen ihre Obergrenzen für Landwirtschaftsförderungen zurückfahren. Verhandlungsführerin Susan Schwab deutete an, dass 13 statt 20 Mrd. US-Dollar (8,2 statt 12,6 Mrd. Euro) vorstellbar seien. Das würde für die US-Farmer nicht unbedingt reale Kürzungen bedeuten, da sie wegen der hohen Weltmarktpreise für Lebensmittel ohnehin weit weniger bekommen.
Doch sowohl die EU als auch die USA machen ihre Zusagen ultimativ von Zugeständnissen der Schwellenländer abhängig, die ihre hohen Zölle auf Industriegüter vehement verteidigen. "Wenn wir nicht alle dieselben Anstrengungen machen, werden wir bis zum Ende der Woche nichts erreichen", warnte Mandelson am Montag.