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Nach Scheitern des EU-Gipfels ist in der Europäischen Union noch immer Trauerarbeit angesagt. Während Deutschlands Kanzler Gerhard Schröder vor dem Zerfall der EU warnt, ist Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel enttäuscht über den verhinderten Kompromiss. Großbritanniens Premier Tony Blair geht im Vorfeld der EU-Präsidentschaft, die ab 1. Juli sein Land übernehmen wird, in die Offensive. Gemeinsam mit Schwedens Ministerpräsidenten Göran Persson fordert er weiter vehement den Abbau der Agrarsubventionen.
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Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zeigte sich nach dem Ministerrat enttäuscht darüber, dass es beim letzten EU-Gipfel in Brüssel keine Einigung über die Finanzvorschau für die Jahre 2007 bis 2013 gegeben habe. Der von Österreich unterstützte Vorschlag der Luxemburger Präsidentschaft hätte unter anderem um 21 Mrd. Euro mehr für Forschung und Entwicklung gebracht. 45 Mrd. seien für den ländlichen Raum vorgesehen gewesen und für die Grenzregionen Österreichs zu den östlichen Nachbarstaaten wären 360 Mio. reserviert gewesen. Auf der anderen Seite hätte es bei der Landwirtschaftsförderung eine Kürzung um 11 Mrd. gegeben, wies der Kanzler eine Bevorzugung des Agrarsektors zurück.
Schüssel kündigte am Dienstag an, im Herbst in Österreich eine große Diskussion über die EU-Verfassung zu starten. Dazu werde auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso ins Land kommen. Einbezogen werden soll in den Dialog sowohl das Parlament als auch die Sozialpartner und die Öffentlichkeit.
Schröder warnt vor Zerfall
Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat vor einem Zerfall der Europäischen Union gewarnt. Europa sei die Antwort auf Krieg und Vernichtung und auch auf die Herausforderungen der Globalisierung gewesen, sagte Schröder am Dienstag bei einer Buchpräsentation in Berlin laut seinem im Voraus veröffentlichtem Redemanuskript. "Wer glaubte, dieses Modell aus nationalem Egoismus oder aus populistischen Motiven heraus zerstören zu wollen, der versündigt sich an den Wünschen und den Rechten der nachfolgenden Generationen", hieß es in dem Manuskript.
Persson auf Blair-Linie
Der schwedische Ministerpräsident Göran Persson teilt dagegen die heftige EU-Budgetkritik seines britischen Kollegen Tony Blair. Der gewaltige Anteil der Agrarsubventionen am Gesamtbudget sei "nicht zukunftsorientiert", sagte Persson am Dienstag nach einem Treffen mit Blair in London. Blair äußerte sich zuversichtlich, während der sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft seines Landes eine Einigung über die Finanzplanung der Union erzielen zu können. Er bekräftigte, Großbritannien sei bereit anzuerkennen, dass der umstrittene Beitragsrabatt seines Landes verschwinden müsse. Allerdings müssten in diesem Zusammenhang auch die massiven Agrarsubventionen reformiert werden, von denen vor allem Frankreich profitiert.
"Wir haben von Beginn an klar gemacht, dass der Rabatt eine Anomalie ist und abgeschafft werden muss. Aber er steht im Zusammenhang zu anderen Anomalien, die auch geändert werden müssen", sagte Blair auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem schwedischen Gast. Persson nahm den britischen Premier gegen Kritik unter anderem aus Frankreich und Deutschland in Schutz. "Der Britenrabatt war nur einer der Streitpunkte", an dem der Finanzgipfel am vergangenen Freitag gescheitert sei. Blair, der am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, machte erneut Abstriche vom Britenrabatt von Kürzungen der Agrarsubventionen abhängig.
Blair will am Donnerstag vor dem Europaparlament seine Vorstellungen darlegen. Dabei wird er Beratern zufolge darauf hinweisen, dass es nicht darum gehe, in der EU zwischen sozialer Absicherung und wirtschaftlicher Effizienz zu wählen. Vielmehr könne beides erreicht werden.