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EU-Budget: Parlament zeigt Krallen

Von Hermann Sileitsch

Politik

Keine Mehrheit für Budgetentwurf - Karas: "Erst ablehnen, dann verhandeln."


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Brüssel/Wien. Die Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen 2014 bis 2020 sind eröffnet - mit einem Schlagabtausch. Seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages kann das EU-Parlament den Budgetplan ablehnen. Was es wohl auch tun wird: Am Montag informierten EU-Kommissionschef Jose-Manuel Barroso und der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy das Parlament über die Verhandlungsergebnisse des EU-Gipfels vom 8. Februar. Sie ernteten heftige Kritik.

Wie berichtet wollen die Mitgliedstaaten den mehrjährigen Haushaltsrahmen um 3,4 Prozent oder 34 Milliarden Euro kürzen. Dafür werde es keine Mehrheit geben, erklärten die vier größten Parlamentsfraktionen. Dieses Budget erlaube zu wenig Impulse für Wachstum und Jobs.

"Wir sind in einer tiefen Rezession. Man muss kein ausgewiesener Keynesianer sein, um zu sehen, dass dieses Budget prozyklisch wirkt. Und das ist falsch", sagte Hannes Swoboda, Vorsitzender der europäischen Sozialdemokraten (S&D). Die Ausbildungsgarantie für Europas Jugendliche sei zwar begrüßenswert, sechs Milliarden Euro würden dafür aber nicht ausreichen.

"Ein Austeritätsbudget für sieben Jahre werden wir nicht akzeptieren", sagte Joseph Daul, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP). Er wünscht sich zusätzliche "echte EU-Eigenmittel", damit das Budget nicht zur Erpressung verwendet wird.

EU gerät im Schuldenstrudel

Vielen Parlamentariern bereitet eine Finanzierungslücke Sorgen: Es sind Ausgaben von 960 Milliarden Euro eingeplant, aber nur 908 Milliarden tatsächliche Zahlungen. Am Ende der Finanzperiode werde eine Lücke von kumuliert mehr als 300 Milliarden Euro klaffen, warnte Guy Verhofstadt, Vorsitzender der Liberalen (Alde).

Schon bisher hatte die EU gerne "Sparbudgets" beschlossen, zugleich aber Zahlungszusagen getroffen, die mit Nachtragshaushalten beglichen werden mussten. Die Parlamentarier wollen mehr Kostenwahrheit und ein für die Aufgaben angemessenes Budget.

Die Kommission will den gekürzten Haushaltsplan mit mehr Flexibilität - etwa der Möglichkeit, Geld zwischen Budgetkapiteln zu übertragen - schmackhaft machen. Eine Forderung praktisch aller Fraktionen ist eine Revisionsklausel, welche eine Überprüfung der Budgetverwendung zur Halbzeit zwingend macht.

Das dürfte nicht ausreichen: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (S&D) fehlte zwar am Montag wegen einer schweren Grippe. In der "Financial Times" hatte er aber sein Abstimmungs-Nein angekündigt - das sei der am stärksten rückwärts gewandete Budgetvorschlag der EU-Historie. Die Zahlungen bis 2020 würden effektiv auf dem Level von 2011 eingefroren. Die EU könne nicht mehr Aufgaben mit weniger Geld erledigen.

Othmar Karas, Vizepräsident des Parlaments (EVP), schlägt vor, das Budget gleich bei der nächsten Plenarsitzung Mitte März abzulehnen und erst danach in Verhandlungen einzutreten, um ein klares Statement zu setzen.

Das Match gegen Schweden

Benedicta Marzinotto von der Denkfabrik Bruegel erwartet zwar nicht, dass das Parlament das Budget komplett zurückweist: "Das hätte dramatische Verzögerungen in der Geldverteilung zur Folge und würde allen schaden." Das Parlament könne aber im Gesetzesprozess mit Änderungswünschen "ziemlich substanzielle Unterschiede bewirken".

Für die EU-Wahl 2014 findet heute, Dienstag, eine Weichenstellung statt: Der Parlamentsausschuss berät die Zahl der Abgeordnetensitze für die einzelnen Länder. Die Überarbeitung ist nötig, weil Kroatien als EU-Mitglied dazukommt und der Lissabon-Vertrag noch nicht komplett umgesetzt ist: Die Gesamtzahl ist mit 751 Mandaten fixiert, pro Land gibt es zwischen 6 und 96 Sitzen. Ein Bericht, der sich am Bevölkerungsschlüssel orientiert hatte, hätte für einige Länder den Verlust von zwei bis drei Sitzen bedeutet. Ein Kompromiss sieht nun vor, dass jedes Land maximal einen Sitz verliert. Österreich würde seine 19 Sitze behalten.

Allerdings gibt es einen Abänderungsantrag aus Schweden, wonach Österreich ein Mandat zugunsten der Skandinavier verlieren würde. Nach dem Ausschuss sind auch noch das Parlamentsplenum und der Rat am Wort.