Den ganzen kommenden Freitag haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel für die Verhandlungen über einen neuen Finanzrahmen 2007 bis 2013 freigehalten. Ob aber eine Lösung tatsächlich möglich ist, wird weniger von der zur Verfügung stehenden Verhandlungszeit als von der Kompromissbereitschaft aller Beteiligten abhängen. Österreich jedenfalls gehe mit einer gewissen Flexibilität in die Verhandlungen, bekräftigte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Dienstag. Unterstützung erhielt er dabei von Vizekanzler Hubert Gorbach.
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Mit seiner Rückendeckung für den Bundeskanzler beim Pressefoyer nach dem Ministerrat konterkariert Gorbach die Linie von BZÖ-Obmann Jörg Haider, der Neuwahlen im kommenden Herbst als Möglichkeit in den Raum stellte, sollte Schüssel eine Erhöhung des Nettozahlerbeitrags Österreich akzeptieren. Stattdessen plädierte Gorbach für eine gesamtheitliche Betrachtung des Verhandlungsergebnisses, bei der auch die Rückflüsse aus dem EU-Budget nach Österreich zu beachten seien. Einen Widerspruch zu seinem Parteiobmann wollte Gorbach darin auf Nachfrage nicht erkennen.
Auch Schüssel zeigte sich von der Neuwahldrohung Haiders in dieser Frage unbeeindruckt: Er wolle sich nun zuerst einmal auf die anstehenden schwierigen Verhandlungen konzentrieren, "die kleinen Themen der österreichischen Innenpolitik diskutieren wir dann später", erklärte Schüssel. Keine Antwort gab es auf die Frage, welche möglichen Mehrkosten auf Österreich im Falle einer Verständigung auf den Kompromissvorschlag der Luxemburger Ratspräsidentschaft, das EU-Budget auf künftig 1,06 des EU-Bruttonationaleinkommens zu beschränken, zukommen werden. Schüssel: "Das kann heute nur ein Prophet wissen, und nicht ein kleiner, bescheidener österreichischer Bundeskanzler."
Grundsätzlich bekräftigte Schüssel nocheinmal die Nettozahlerposition Österreichs, das EU-Budget auf 1 Prozent der Wirtschaftsleistung zu beschränken, betonte aber gleichzeitig die Bereitschaft zu einer gewissen Flexibilität für den Fall, dass sich die anderen Partner ebenfalls bewegten.
Anzeichen dafür gibt es derzeit jedoch wenige. Insbesondere die Briten lehnen Verhandlungen über ihren Beitragsrabatt kategorisch ab. Nicht zuletzt deshalb beurteilten sowohl Schüssel als auch Gorbach die Chancen auf eine Einigung skeptisch. Sollte es tatsächlich zu keinem Kompromiss kommen, könnte die Suche nach einer Lösung in die Präsidentschaft Österreichs im ersten Halbjahr 2006 fallen.
Kritik an der Verhandlungsposition Schüssels kam von der SPÖ. Klubobmann Josef Cap zeigte sich empört, dass der Kanzler das EU-Budget und den österreichischen Beitrag dazu als "kleine Themen der österreichischen Innenpolitik" abgetan habe. In der Frage der EU-Verfassung forderte Cap erneut einen Stopp des Ratifizierungsprozesses nach dem Nein bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden. Auch künftige Erweiterungen sollten nach dem Willen der SPÖ vorerst auf Eis gelegt werden.