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Während für andere osteuropäische EU-Bürger die letzten Hürden auf dem Arbeitsmarkt fallen, bleiben sie für Rumänen aufrecht. Auch auf völlige Reisefreiheit in der EU müssen sie noch warten.
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Es ist wie ein kleines Ereignis, wenn der Zug einrollt. Stark befahren ist der Grenzübergang Ungheni nämlich nicht gerade. Jeweils sechs bis sieben Personenzüge pro Tag fahren hier ein, und ebenso viele Frachtzüge. Ansonsten ist der Bahnschranken in dem ostrumänischen Ort, wo an die 260 Familien wohnen, geöffnet. Pferdefuhrwerke rumpeln über die Schienen, auch eine Gänseschar kann manchmal über die Gleise watscheln.
Auf der anderen Seite des Flusses liegt Moldawien, eines der ärmsten Länder Europas. Die Rumänen sollen diese Grenze, eine Außengrenze der EU, beschützen. Sie sollen Moldawier von illegaler Einwanderung oder dem Schmuggel von Zigaretten und Alkohol abhalten. Sie helfen sich dabei mit modernster Technik: Infrarotkameras, Nachtsichtgeräte, Radaranlagen, Scanner, die Radioaktivität feststellen können, und solche, die gefälschte Pässe sofort erkennen.
Rund eine Milliarde Euro haben die Regierung in Bukarest und die EU in die Aufrüstung auf den 2000 Kilometern Grenze fließen lassen. Denn Rumänien will gemeinsam mit Bulgarien dem Schengen-Raum beitreten, in dem Reisen ohne Grenzkontrollen möglich sind. Schon im März hätte es so weit sein sollen - wenn nicht andere EU-Staaten Einwände erhoben hätten. So meinten etwa Frankreich und Deutschland, die beiden jüngsten EU-Mitglieder hätten noch zu viele Aufgaben zu erledigen - etwa bei der Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen.
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"Wie sollen wir uns bestechen lassen?" Der Zöllner am Übergang in Sculeni lacht und zeigt auf die Kameras. "Es wird doch alles aufgezeichnet." Sculeni liegt ebenfalls an der Grenze zu Moldawien. Es ist ein größerer Übergang als Ungheni, an die 80 Lkw kommen hier täglich vorbei, auch Pkw und Fußgänger passieren. "Bine ati venit in Romania" steht in großen Lettern auf dem Wellblech-Dach, das sich über die sechs Fahrspuren spannt - "Willkommen in Rumänien". Und darunter ist zu lesen: "Welcome to European Union".
Gerne führt der Zöllner Journalisten, die aus Westeuropa kommen, die technische Ausrüstung des Übergangs vor. Die Computer, die in Sekundenschnelle die Daten der Grenzgänger überprüfen. Das Messgerät, das Herzschläge aufspüren kann, sollten sich Menschen im Laderaum eines Lkws verstecken. Den Mast mit den Wärmesensoren, die eine Reichweite von 20 Kilometern haben. "Wenn sich in diesem Gebiet etwas bewegt, ein lebendiges Wesen, ob Tier oder Mensch, dann wird das erfasst", sagt der Beamte mit Stolz.
Die technischen Voraussetzungen mag Rumänien ja erfüllen, wenden die skeptischen EU-Staaten ein. Doch gebe es da eben auch andere Probleme. Erst vor wenigen Wochen wurden fast hundert rumänische Zöllner wegen Korruptionsverdachts verhaftet: Es wird ihnen vorgeworfen, gemeinsame Sache mit ukrainischen Schmugglern gemacht zu haben. Auch hochrangige Beamte mussten ihren Dienst quittieren.
Die Gehälter der Beamten anzuheben, um die Korruptionsanfälligkeit der Grenzbeamten zu senken, kann sich die rumänische Regierung kaum leisten. Doch verdient ein Zöllner etwas mehr, als der Durchschnittslohn beträgt: an die 400, 500 Euro.
Wann Rumänien und Bulgarien nun dem Schengen-Raum beitreten können, bleibt offen. Überhaupt müssen sich die jüngsten Unionsmitglieder noch gedulden, bevor sie alle Rechte genießen können, die die anderen haben. Denn während für die meisten osteuropäischen EU-Bürger nun auch die letzten Hürden fallen - wie die Beschränkungen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland und Österreich -, bleiben sie für Rumänen und Bulgaren noch aufrecht. Auch auf völlige Reisefreiheit innerhalb der Union müssen sie noch warten.