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EU-Chefs in Berlin unter starkem Erfolgsdruck

Von Denise von Cles

Europaarchiv

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Unter starkem Erfolgsdruck treten die fünfzehn EU-Staats- und Regierungschefs am Mittwoch und Donnerstag zu einem Sondergipfel in Berlin zusammen. Bei dem Treffen soll einerseits ein politischer

Durchbruch bei den geplanten Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Regionalförderungen und der neuen mittelfristigen EU-Finanzordnung (2000 bis 2006) erzielt werden, die unerläßlich für die

bevorstehende Osterweiterung sind. Andererseits muß die EU Handlungsfähigkeit beweisen und die europäische Führungskrise lösen, die durch den geschlossenen Rücktritt der zwanzigköpfigen EU-

Kommissionsspitze ausgelöst worden ist. In Berlin soll zumindest das Verfahren für die Bestellung der neuen EU-Kommission festgelegt werden, eine Entscheidung über die Nachfolge von

Kommissionspräsident Jacques Santer gilt dagegen als verfrüht.

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte vor dem Sondergipfel Optimismus verbreitet, daß es zu einer Einigung bei den Agenda-2000-Reformen kommen werde. Allerdings schränkten hohe Bonner

Beamte am Montag ein, daß es "keine Erfolgsgarantie" geben könne. In den zwei Tagen, denen voraussichtlich eine lange Verhandlungsnacht von Donnerstag auf Freitag folgen wird, müssen rund zehn bis

fünfzehn offene Punkte in einem Kraftakt geklärt werden. Der Agrarkompromiß, der vor zwei Wochen erzielt wurde, hat zwar die Aussichten auf eine Gesamteinigung verbessert. Frankreich irritierte aber

die Partner bei den Außenministerberatungen zu Wochenbeginn damit, daß es weiter auf einem Aufschub der Milchmarktreform und einer Kürzung der Milchquoten bestand. Paris möchte außerdem

Verbesserungen für seine Landwirte herausholen.

Die EU-Kommission hat mittlerweile auf Drängen Frankreichs und Deutschlands zusätzliche Sparmaßnahmen durch einen schrittweisen Abbau der direkten Einkommensbeihilfen bei Rindfleisch und bei Getreide

vorgeschlagen, mit denen im Zeitraum 2000 bis 2006 rund 6 Mrd. Euro zusätzlich gespart werden könnten. Die deutsche EU-Präsidentschaft hatte als Ziel vorgegeben, die Agrarausgaben während der

kommenden sieben Jahre auf 40,5 Mrd. Euro zu stabilisieren. Dies entspricht etwas weniger als der Hälfte des EU-Haushalts.

Bei den Sparmaßnahmen für die Regionalförderungen klaffen die Vorstellungen über die Höhe der Dotierung der entsprechenden Strukturfonds zwischen 195 und 216 Mrd. Euro auseinander. Dagegen konnten

die Spanier schon im Vorfeld durchsetzen, daß der Kohäsionsfonds für die vier ärmeren EU- Staaten in den kommenden Jahren beibehalten wird, der diesen Staaten bei der wirtschaftlichen Aufholjagd zur

Teilnahme an der Währungsunion helfen sollte.

Am härtesten werden die EU-Chefs in Berlin aber um die künftige Verteilung der EU-Beitragslasten ringen. Deutschland als größter "Zahlmeister" der Union steht hier unter starkem innenpolitischem

Druck, eine Reduktion seines Nettobeitrags von rund 22 Mrd. DM jährlich zu erreichen. Die Kurve müsse mindestens mittelfristig nach unten zeigen, heißt es in Bonn. Auch die Nettozahler Österreich,

die Niederlande und Schweden als sie einzahlen, haben sich dieser Forderung angeschlossen. Großbritannien, das seit 1984 einen Milliardenrabatt für seinen EU- Budgetbeitrag erhalten hat, widerstand

bis jetzt dem Druck der Partner, einen Teil davon zugunsten der anderen Nettozahler aufzugeben. Die Partner wollen zumindest erreichen, daß London sich vollumfänglich an der Finanzierung der

Osterweiterung beteiligt.