Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs leitet weitere Strafmaßnahmen gegen Russland ein.
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Brüssel. So weit, wie es sich die Ukrainer wünschten, werden die Europäer nicht gehen. Kiew sähe gern harte Sanktionen gegen Russland: Premier Arseni Jazenjuk forderte die EU, aber auch die USA sowie die Staaten der G7-Gruppe dazu auf, alle russischen Vermögenswerte im Ausland einzufrieren. Zwar sollten die Staats- und Regierungschefs bei ihrem für Samstag angesetzten Sondertreffen tatsächlich über weitere Strafmaßnahmen gegen Moskau beraten. Doch werden sie kaum so tiefgreifend sein wie in Kiew gewollt.
Allerdings zeichnete sich schon im Vorfeld des Gipfels, der sich ursprünglich lediglich mit der Besetzung von mehreren EU-Spitzenposten befassen sollte, der Wille zu einer Verschärfung der bereits verhängten Sanktionen ab. Dabei weiß sich die Union im Einklang mit den USA, deren Präsident Barack Obama bereits klargemacht hat, dass die Berichte über eine russische Invasion in der Ukraine Konsequenzen für den Kreml haben werden. Nach einem Telefonat mit ihm betonte auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das Vorgehen Moskaus dürfe nicht folgenlos bleiben.
So flossen die Überlegungen zu weiteren Strafmaßnahmen bereits in die Entwürfe für das Schlussdokument des Gipfeltreffens ein. Die EU sei bereit, "weitere Schritte zu erwägen, im Lichte der Entwicklung der Situation", heißt es dort. Was das allerdings konkret bedeuten könnte, müssen noch die EU-Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst ausarbeiten. Eine Verständigung darauf - und Umsetzung - ist jedoch rasch möglich, weil die technischen und rechtlichen Vorbereitungen dafür schon bei vorangegangenen Runden erfolgt sind.
Denkbar ist jedenfalls eine Ausweitung der Liste, die Personen mit Einreiseverboten in die EU und Kontosperren umfasst. Bisher finden sich knapp hundert Namen darauf. Auch könnte die Zahl jener Unternehmen, denen Geschäfte in der Union untersagt wurden, erhöht werden. Derzeit sind 23 Firmen - darunter Banken - von solchen Einschränkungen betroffen.
Wirtschaftliche Hindernisse hat die EU ebenfalls errichtet. So gelten etwa Ausfuhrverbote für zivil und militärisch nutzbare Güter an die russische Armee oder für Hochtechnologie, die für die Ölförderung in der Arktis oder der Tiefsee benötigt wird. Das Waffenembargo hingegen kommt bei laufenden Verträgen nicht zur Anwendung.
Besorgte Banken
Weitere Sanktionen könnten in bisher davon unberührte finanzielle und wirtschaftliche Bereiche gehen. So befürchten westliche Banken bereits, dass dies auch auf ihre Beteiligungen an russischen Anlagevermögen oder auf bilaterale Kreditbeziehungen zielen könnte. Und sie warnen davor, russische Staatsanleihen ins Visier zu nehmen.
Unbehelligt soll hingegen ein anderer Sektor bleiben. Die Gasversorgung sei "kein Instrument für Sanktionen", betonte Energiekommissar Günther Oettinger einmal mehr. Immerhin decken Importe aus Russland etwa ein Drittel des Gasbedarfs der Union ab. Ein großer Teil davon fließt über die Ukraine, die die EU bereits gewarnt hat, dass Moskau auch die Versorgung für Europa unterbrechen könnte.
Nicht zuletzt diese Abhängigkeit von russischen Lieferungen ließ die EU-Politiker zunächst vor der Verhängung von Wirtschaftssanktionen zögern. Und auch jetzt gibt es Einwände, dass die Maßnahmen für die EU ebenso schmerzhaft wie für Russland wären. Darauf hatten zuletzt der ungarische Premier Viktor Orban oder sein slowakischer Amtskollege Robert Fico hingewiesen. Darin unterscheiden sie sich von einigen anderen osteuropäischen Regierungen, beispielsweise in Polen oder in den baltischen Staaten, die die Maßnahmen mehr unter einem sicherheitspolitischen denn einem ökonomischen Aspekt sehen.
Spitzenposten zu vergeben
All diese Überlegungen spielten auch bei der Besetzung von EU-Spitzenposten eine Rolle, die der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung des Gipfeltreffens sein sollte. Denn die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, deren Nachfolge ebenso wie jene des scheidenden Ratspräsidenten Herman Van Rompuy geregelt werden muss, vertritt die Union ebenfalls in deren Beziehungen zur Ukraine und zu Russland. Und so wie manche Länder skeptisch gegenüber einem polnischen Kandidaten waren, gab es in Warschau Einwände gegen Bewerber, die eine allzu weiche Haltung gegenüber dem Kreml einnehmen könnten. Dennoch galt bis zuletzt die italienische Außenministerin Federica Mogherini als Favoritin für den Posten der Außenbeauftragten.
Dafür konnten sich die Polen beste Chancen auf einen anderen Topjob ausrechnen: Die Idee, Premierminister Donald Tusk für das Amt des Ratspräsidenten zu nominieren, stieß laut Diplomaten kaum auf Widerspruch in den Mitgliedstaaten.