Ratspräsident Herman Van Rompuy beharrt auf Untersuchung dieser Frage. | Faymann: Keine EU-Vertragsänderung erforderlich. | Brüssel. Die EU hat nicht einmal ein Jahr nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags die Weichen für eine neuerliche - wenn auch "begrenzte" Vertragsänderung gestellt. Der EU-Gipfel beauftragte den Ratspräsidenten Herman Van Rompuy in der Nacht auf Freitag nach einer zähen Debatte, in Gesprächen mit den EU-Regierungschefs "eine begrenzte Vertragsänderung" auszuloten. Ziel: Die Schaffung einer vor allem von Deutschland geforderten expliziten EU-Rechtsgrundlage für einen permanenten Euro-Rettungsschirm. Dazu ist ein Vertragszusatz nötig, der einen solchen Mechanismus erlaubt, wenn die Währungsunion in Gefahr ist. | Euro-Kollaps noch nicht vom Tisch
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Bezüglich der Aussetzung des EU-Stimmrechts als ultimative Sanktion für Euro-Staaten sind sich Ratspräsident Van Rumpoy und Kommissions-Präsident Barroso nicht einig. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso "vom Tisch". "Das wird nicht Teil der begrenzten Vertragsänderung sein", sagte Barroso am Freitag zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel.
Demgegenüber betonte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, er habe ein klares Mandat vom EU-Gipfel erhalten, wonach er diese Frage untersuchen soll. Den entsprechenden Gipfelbeschluss dazu wolle er nicht weiter interpretieren.
Euro-Schutzschirm eine sehr technische Angelegenheit
Barroso und Van Rompuy gaben keinen Hinweis, wie der vom EU-Gipfel angestrebte dauerhafte Euro-Schutzschirm ab Mitte 2013 aussehen könnte. Dies sei eine sehr technische Angelegenheit, beim Gipfel konnten dazu keine Details erläutert werden. Van Rompuy sagte, über den Zinssatz, den in Not geratene Staaten für Hilfen aus dem Schirm zu zahlen hätten, sei überhaupt nicht gesprochen worden. Der EU-Kommissionspräsident habe das Mandat erhalten, Eckpunkte eines solchen Euro-Krisenmechanismus vorzuschlagen. "Jetzt ist es noch zu früh, in die Details zu gehen." Generell sei der Gipfel erfolgreich gewesen, betonte Van Rompuy. "Der Europäische Rat hat einen soliden Pakt geschaffen, um den Euro zu stärken."
Bereits am 16./17. Dezember soll der nächste EU-Gipfel über "eine begrenzte Vertragsänderung" und ein konkretes Modell für einen permanenten Euro-Rettungsschirm nach Mitte 2013 entscheiden. Dabei soll ein Umschuldungsverfahren für die Zukunft festgezurrt werden, der auch Banken und andere private Investoren an den Kosten im Fall einer künftigen Rettung eines Euro-Landes mitbeteiligt, um nicht allein die Steuerzahler für diese Kosten aufkommen zu lassen. Im Wirtschaftsjargon ist hier von "Haarschnitten" die Rede, also ein prozentueller Verzicht der Gläubiger auf ihre Schuldenforderungen. Die Details sollen von den EU-Finanzministern später geregelt werden. Die Beteiligung privater Gläubiger ist eine deutsche Kernforderung. Dem Vernehmen nach warnte EZB-Chef Jean-Claude Trichet beim Gipfel vor den Risiken einer solchen Beteiligung.
Van Rompuy betonte in der Nacht auf Freitag, dass es "überhaupt nicht darum gehe, den Lissabon-Vertrag zur Disposition zu stellen, ganz und gar nicht". Es werde auch keine neue Institutionendebatte geführt. Es sei aber notwendig, den Erfordernissen Rechnung zu tragen: "Wir brauchen eine solidere, verfassungsmäßige Verankerung des Vertrags". Der EU-Ratspräsident wollte nicht näher auf den vor allem von Deutschland und Frankreich verlangte Stimmrechtsentzug eingehen, doch verwies er auf Nachfrage darauf, dass diese Frage "später" geprüft werde. Van Rompuy verwies auf die Gipfelerklärung, wonach es darum gehe, dass der EU-Ratspräsident "in Konsultation mit den Mitgliedstaaten auch die Beteiligungsrechte in Entscheidungsprozessen in der EU zu prüfen hat, falls es zu einer dauerhaften Bedrohung der Eurozone insgesamt kommt. Das Problem der Stimmrechte lag vor und wir haben dann beschlossen, dass ich das später prüfen würde".
Van Rompuy: "Wir hatten uns alle geeinigt. Es ging nicht um ein Zögern, oder darum, wer dafür oder dagegen ist. Das ist überhaupt nicht mehr von Belang. Wir haben uns auf den Grundsatz eines ständigen Krisenmechanismus verständigt. Dazu brauchen wir eine begrenzte Änderung der Verträge, eine Anpassung". Gleichzeitig müsse man wissen, welche Merkmale so ein Krisenmechanismus aufweisen werde. Die Kommission werde dazu Vorschläge unterbreiten. Er wolle jedenfalls "vorzugsweise Änderungen in begrenztem Umfang unter Einsatz von zügigen Verfahren" machen.
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso erklärte, der EU-Gipfel habe den Taskforce-Bericht zur Kenntnis genommen. Das Ziel sei nun, am Ende des ganzen Verfahrens eine viel konturenstärkere wirtschaftliche Steuerung zu haben. Schon bisher habe es beachtliche Ergebnisse gegeben, wobei er vor allem das "europäische Semester" zur Koordinierung der Haushalte anführte. Die gesetzgeberischen Entscheidungen sollten bis Ende des ersten Halbjahres 2011 unter Dach und Fach gebracht werden. Was in der Taskforce noch nicht geregelt werden konnte, müsse jetzt im Krisenmechanismus angegangen werden. Die Kommission werde sich einbringen und Vorschläge "in Bälde" vorlegen.
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zeigte sich froh, "dass die Diskussion über Stimmrechte in den Hintergrund getreten ist". Über die Forderung Deutschlands nach Einbeziehung privater Gläubiger in einen permanenten Euro-Schutzschirm sei inhaltlich nicht diskutiert worden, sagte der Bundeskanzler. Der EU-Gipfel wolle diese Frage im Dezember prüfen. Faymann betonte erneut, dass aus österreichischer Sicht für die Bereitstellung eines dauerhaften Euro-Rettungsschirms 2013 keine EU-Vertragsänderung erforderlich sei. Die deutsche Kanzlerin habe aber klar gemacht, dass für Deutschland wegen des Bundesverfassungsgerichtes die Notwendigkeit einer Anpassung des Vertrags bestehe, indem die Möglichkeit eines Krisenmechanismus vorgesehen sein soll. Die sogenannte "No-Bail-Out"-Klausel im EU-Vertrag soll nicht geändert werden. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso habe nach Analyse des Rechtsdienstes erklärt, dass kein EU-Land ein Referendum nötig hätte, wenn die EU-Vertragsänderung nur den Haftungsschirm betreffe.
Merkel zeigte sich nach dem EU-Gipfel mit den erreichten Ergebnissen zufrieden. "Ich darf für Deutschland sagen, dass wir damit unsere wesentlichen Punkte jeweils vorangebracht haben, dass es in Zukunft möglich sein wird, auch mit Blick auf die Märkte deutlich zu machen, dass der Euro stabil sein kann und die privaten Investoren nicht zuviel verdienen können, wenn sie gegen den Euro spekulieren", sagte sie. (APA)
EU-Maßnahmen zur Abwendung künftiger Katastrophen