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EU-Einsatztruppen für Grenzschutz

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Die Europäische Grenzschutzagentur wird mit einer schnellen Eingreiftruppe ausgestattet, die den massiven Zustrom illegaler Einwanderer in die Europäische Union unterbinden soll. | Die Europäische Union (EU) hat fünf verletzliche Punkte an ihren Außengrenzen: Die Mittelmeerregion, die portugiesischen und spanischen Inseln im Atlantik, den Balkan, die östlichen Landgrenzen in Mitteleuropa und die wichtigsten internationalen Flughäfen. Rund eine halbe Million Menschen wandern jährlich auf illegalen Wegen über diese grünen (Land-) oder blauen (Meer-) Grenzen in die EU ein, wobei der Hauptstrom über Italien und Spanien führt. 2006 trafen allein auf der italienischen Insel Lampedusa 20.000 Afrikaner ein. In den ersten vier Monaten des Jahres 2007 landeten 2100 illegale Einwanderer auf den spanischen Kanaren. Viele Hunderte gerieten dabei in Seenot und ertranken.


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Die EU hat sich daher entschlossen, den Grenzschutz und die Abwehr illegaler Zuwanderung gemeinsam zu organisieren. Die zur Unterstützung des nationalen Grenzschutzes bereits im Oktober 2004 durch die Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 gegründete Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der EU (Frontex) hatte bisher lediglich beratende, aber keine operativen Zuständigkeiten. Sie konnte daher auch die nationalen Grenzwachen in akuten Krisensituationen nicht wirksam unterstützen.

Rabit-Verordnung

Also legte die Kommission im Juli 2006 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke und zur entsprechenden Änderung der Frontex-Verordnung vor. Dieser wurde im April 2007 sowohl vom Rat als auch vom Europäischen Parlament angenommen. Die formelle Beschlussfassung ist für Juni 2007 vorgesehen.

An Personal- und Sachausstattung werden für die Soforteinsatzteams zum Grenzschutz (Rapid Border Intervention Teams, Rabit) insgesamt 450 Beamte, 116 Schiffe, 27 Hubschrauber und 21 Flugzeuge zur Verfügung gestellt. Der daraus gebildete "Soforteinsatzpool" wird bei der Grenzschutzagentur Frontex angesiedelt, deren Verwaltungsrat die entsprechenden Anforderungsprofile zu erstellen hat.

Der konkrete Einsatz von Rabit wird, nach entsprechender Anforderung durch den betroffenen Mitgliedstaat, durch den Exekutivdirektor von Frontex innerhalb von fünf Tagen bewilligt. Es muss sich dabei um eine Ausnahme- oder Notsituation handeln, die der Mitgliedstaat alleine nicht bewältigen kann. Rabit-Mitglieder können im jeweiligen Gastland mit Exekutivbefugnissen ausgestattet werden. Als Vorbild für diese Regelung hatte der Einsatz ausländischer Polizisten bei den Olympischen Winterspielen in Turin im Februar 2006 und bei der Fußball-WM im Sommer 2006 in Deutschland gedient. Die Rabit-Einheiten müssen die Uniform ihres Landes tragen und dürfen nur unter den Anweisungen und generell nur in Gegenwart von Grenzschutzbeamten des Einsatzmitgliedstaates tätig sein. Sie haben dabei nicht-diskriminierend und verhältnismäßig vorzugehen.

Die Mitglieder von Rabit haben den "Schengener Grenzkodex" (ABl 2006 L 105/1) korrekt anzuwenden und die Datenschutz-Richtlinie 1995 (ABl 1995 L 281/31) zu beachten, ebenso wie auch die völkerrechtlichen Bestimmungen zum Menschenrechts- und Flüchtlingsschutz - vor allem das Verbot der Zurückweisung politischer Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Ob den Rabit in der Praxis die Trennung in illegale Migranten und politische Flüchtlinge immer eindeutig möglich sein wird, darf aber bezweifelt werden. Auch die Flüchtlingsorganisation "Pro Asyl" verfolgt die Entwicklung von Frontex kritisch und hegt ähnliche Befürchtungen.